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Die Frage "Was sieht man, wenn man nichts mehr sieht?" klingt paradox und die Antwort darauf scheint einfach: nichts!
Tatsächlich bekomme ich diese Frage hin und wieder gestellt, und da ich mich mit einfachen, einsilbigen Antworten nur sehr selten zufrieden gebe, kann meine Antwort unmöglich "nichts" lauten. Selbst wenn ich so antworten würde, müsste sich doch sofort die Frage anschließen: Was ist nichts?Also, heute mal ein paar Zeilen zum Nichts.

Nichts ist wirklich schwer vorstellbar und wie immer, schreibe ich auch in diesem Beitrag wieder nur über mich, meine Empfindungen, mein Nichts. Bei anderen blinden Menschen mag das Nichts ganz anders aussehen. Nun aber Butter bei die Fische, wie sieht es nun aus dieses ominöse Nichts.

Mein Nichts: So sieht es aus!

Ganz objektiv betrachtet ist Nichts bei mir seit nunmehr gut 20 Jahren wirklich nichts. Ich sehe keine Umrisse, keine Schatten, kein Hell oder Dunkel. Nichts! Mein Nichts ist jedoch nicht schwarz, wie man vielleicht glauben mag. Mein Nichts ist eher vergleichbar mit einem Testbild beim Fernseher, also so ein Gekrissel aus schwarzen, weißen und grauen Pünktchen.
Ganz dicht vor meinen Augen hängt nun also so eine Mattscheibe; sagen wir lieber ein Vorhang … ich glaube das Muster nennt man auch Pfeffer und Salz. Doch die Farbanteile sind nicht immer gleich verteilt. Bin ich müde oder traurig, überwiegt Pfeffer. Die meisten Tage sind jedoch gut gesalzen.

Mein Nichts, also der Vorhang vor meinen Augen, ist nun aber nicht blickdicht. Durch den feinen Stoff hindurch kann ich schemenhaft meine Umgebung erkennen. Natürlich nicht wirklich. Diese Bilder entstehen in meiner Fantasie. Wenn ich also am Schreibtisch sitze, vor dem Laptop, dann sehe ich durch den Vorhang hindurch meine Finger, die über die Tastatur fliegen und das Display des Laptops aufgeklappt vor mir; aus dem Augenwinkel das Fenster. Zugegeben, nicht sehr fantasievoll. Schließlich weiß ich um das Fenster, den Laptop vor mir, die Tastatur höre und fühle ich. Doch auch wenn ich eine Straße entlang laufe, sehe ich durch den Vorhang hindurch Häuser, Fahrradständer, einen Zebrastreifen oder eine Baustelle. Alles Informationen, die ich über die anderen Sinne bekomme … oder auch meine Fantasie. In einem Kinofilm habe ich auch schon einmal eine Brücke gesehen, die bei der anschließenden Beschreibung der Szene zu viel Verwirrung geführt hat.

Nicht immer, aber hin und wieder haben die Fantasiebilder hinter dem Vorhang auch Farbtupfer. Malt meine Fantasie beispielsweise Bäume oder Büsche, dann sind die grün und Lieschen mein Blindenführhund ist ganz klar schokobraun. Was auch immer schokobraun ist … über Farben habe ich in einem früheren Beitrag Blind Date mit den Tierchen, die nachts die Kleider enger nähen – Lösung: Shoppen! schon einmal geschrieben.

Flüchtige Fantasiebilder - oder doch nicht?

Weder Lieschen, Gebäude noch Gesichter aus meinen Fantasiebildern kann ich dir aber näher beschreiben. Eine Haarfarbe vielleicht, aber eine nähere Beschreibung um die ich manchmal gebeten werde - also so nach dem Motto "Wie sehe ich aus?" - muss ich schuldig bleiben. Sobald ich versuche diese Fantasiebilder zu greifen, rieseln sie wie Pfeffer und Salz zwischen meinen Fingern hindurch. Du kennst das vielleicht von Traumbildern. So deutlich sie im Traum noch waren, so schnell verschwimmen sie nach dem Aufwachen.
Apropos träumen, ebenso wie ich meine Umwelt tagsüber erlebe, so träume ich auch.

Also, mein Nichts ist schwarz, grau und strahlend weiß, manchmal mit Farbtupfern. Nichts können Häuser, Gesichter oder Brücken sein. Nichts ist eine gehörige Portion Fantasie oder wie Albus Dumbledore bei Harry Potter und die Heiligtümer des Todes sagt: "Natürlich findet es in deinem Kopf statt, aber warum, in aller Welt, sollte das heißen, dass es nicht wirklich ist?"

In diesem Sinne wünsche ich dir einen fantastischen Mai!

Als Einstieg in meinen letzten Beitrag Käse, Kaffee und Co. - So kommen sie in meinen Kühlschrank wählte ich die gerade angebrochene Fastenzeit. Das war vor einem Monat. Inzwischen ist das Fasten dem Hamstern von haltbaren Lebensmitteln und Toilettenpapier gewichen. Während langsam also viele Kühl- und Vorratsschränke aus allen Nähten platzen dürften, herrscht in unseren Terminkalendern gähnende Leere. Der Corona-Virus hat unser Leben fest im Griff.
Lange habe ich überlegt, ob nun auch ich noch etwas darüber schreiben soll, und wenn ja, was. Da ich in diesem Blog ja aber über mein Leben schreibe, gehört auch mein Umgang mit dieser aktuellen Herausforderung dazu. Hier nun also mein ganz persönliches Rezept.

Bittere Pillen schlucken!

Es gibt Situationen im Leben, die kann man nicht ändern. Das ist keine faule Ausrede, eher ein Fakt.
Weder kann ich etwas an der Tatsache ändern, dass ich blind bin, noch an der Existenz des Corona-Virus. Angesichts dessen, dass solche Pillen wirklich bitter schmecken können, gilt es diese möglichst schnell zu schlucken. Es stellt sich also nicht die Frage ob, sondern wie man damit umgeht.

Im Hinblick auf die Corona-Pandemie scheint das "Wie" auch schnell beantwortet zu sein: Zuhause bleiben und physische Kontakte zu anderen Menschen meiden! Da ich bei den Gassi-Runden mit meinem Blindenführhund immer mal wieder den Eindruck habe, dass die Verwunderung einem blinden Menschen zu begegnen größer ist als die Sorge einer eventuellen Ansteckung, nehme ich dies auch sehr ernst. Lebensmittel lasse ich mir also liefern und versuche als Reha-Ausbilderin meine Teilnehmer während der Heimlernphase so gut wie möglich zu unterstützen.

Bitterer Nachgeschmack?

Na klar, auch ich hatte ein Leben vor Corona. Auch ich hatte Pläne und Vorhaben auf die ich mich gefreut habe. Am 01. April sollte meine jährliche Veranstaltung "Arbeit und Inklusion" mit Diskussionsrunde und Rahmenprogramm stattfinden - kein Scherz. Die wesentlichen Vorbereitungen hierfür waren abgeschlossen und die Einladungen verschickt. Das heißt ich hatte bereits jede Menge Arbeit investiert und mich auf die Veranstaltung, aber auch auf die Zeit danach gefreut: Osterferien, Frühling, Sommer. Ich wollte mal wieder zu einem Handballspiel, in netter Gesellschaft ein Käffchen oder ein Bier trinken. Auch die Vorfreude auf den geplanten Sommerurlaub Anfang Juni wuchs wöchentlich. Stopp! Auch wenn die Pille bitter war, muss ich den Nachgeschmack ja nicht auch noch künstlich in die Länge ziehen.

Nachspülen und genießen!

Die Vorratsschränke sind voll, es dürfte jetzt also nicht so schwer sein, etwas zu finden, womit sich der bittere Nachgeschmack verdrängen lässt. Bei mir liegt Schokolade ganz oben. Übertroffen wird sie aber durch die Tatsache, dass bisher weder ich noch meine Familie oder Freunde infiziert sind. Die Nachrichten aus den Nachbarländern tragen ihr Übriges dazu bei, dass ich derzeit wirklich gerne zu Hause bleibe.

Um mein Leben dann auch noch mit einem Zuckerrand zu versehen, muss ich mich nicht zwingend kopfüber aus dem Haus stürzen. Auch zu Hause gilt: Ich brauche eine sinnvolle Aufgabe. Die Möglichkeit, mich im Homeoffice nützlich zu machen, trägt daher sehr zu meinem Wohlbefinden bei; und auch wenn noch nichts spruchreif ist, für die nahenden Osterferien habe ich auch wieder Pläne. Möglichkeiten wie über diese Engagement-Plattform gibt es inzwischen ja einige:
https://engagiert-in-halle.de/

Die Reiselust stille ich mit meinem Lieblings-Podcast und ansonsten gilt so wie so immer: Ich umgebe mich vorwiegend mit Menschen, die mir gut tun. Ob übers Telefon, die sozialen Netzwerke, Messenger-Dienste, die Möglichkeiten sind so vielfältig wie noch nie.
Freunde, für die im Alltag häufig viel zu wenig Zeit bleibt, fragen wie es einem geht; und neulich rief sogar ein WG-Mitbewohner aus Abi-Zeiten an, mit dem ich seither keinen Kontakt mehr hatte. Auch wenn wir unsere Telefonnummern bereits seit mehreren Monaten über einen gemeinsamen Freund ausgetauscht hatten, hat es nicht geklappt. Absicht? Nein, man ist einfach immer sehr beschäftigt. Will sagen, auch in Zeiten von "social distancing" ist ganz viel soziale Nähe möglich!

Verbunden mit dem Wunsch, dass auch du ganz viel soziale Nähe erfährst und gesund durch diese Zeit kommst, hier noch mein Lieblingsfoto 2020.Foto: geöffnetes PaketDieses Paket mit Hundefutter, Dosenwurst aus eigener Schlachtung und einem mit Liebe gebackenen Nusskuchen erhielt ich vor wenigen Tagen von meinen Eltern. Die Rolle Toilettenpapier, die als Füllmaterial zum Schutz des begehrten Inhalts diente, zauberte außerdem ein breites Grinsen auf mein Gesicht.

Wenn du weitere Tipps hast, die uns die Zeit zu Hause versüßen, teile diese gerne in den Kommentaren!

Nicht nur für die Katholiken ist seit Aschermittwoch alles vorbei. Egal ob gläubiger Christ oder nicht, viele nutzen die Zeit bis Ostern um zu fasten. Traditionell bedeutet dies der Verzicht auf Nahrung. Gibt es also eine bessere Zeit, um über den Lebensmitteleinkauf zu schreiben?
Nicht wirklich, gerade eine bewusste Ernährung will sorgsam durchdacht sein.

Vorbereitung ist alles!

Ich zähle mich zwar nicht zu den Kleidung-am-Vortag-Herauslegern, schreibe aber mit Vorliebe Listen: To-do-Listen für jeden Wochentag, Packlisten für den Urlaub und Einkaufslisten. Insbesondere bei der Einkaufsliste mag dies sicher auch damit zusammenhängen, dass ich mich durch die Warenpräsentation im Supermarkt nicht inspirieren lasse. Da hab ich einfach keinen Blick für. Ich brauche also bereits im Vorfeld einen Plan, was im Einkaufswagen landen soll.

Woher bekomme ich nun aber meine Inspiration?
Na klar, da ist zum einen die Werbung in Radio, TV und Internet. Hin und wieder google ich nach Rezepten bzw. den entsprechenden Zutaten für Gerichte, auf die ich Appetit habe; und vor dem Wocheneinkauf rufe ich die Website meines Supermarktes auf und informiere mich über die Wochen-Angebote - das nenne ich dann meinen virtuellen Gang durch die Regale.

Den Einkaufszettel schreibe ich mir dann in Brailleschrift auf eine handliche Karteikarte. Mehr zu dieser von Louis Braille entwickelten Schrift und welche Vorteile so ein Einkaufszettel aus Pünktchen hat, kannst Du in meinem Beitrag Gefühlvoll in die graue Jahreszeit - Oder: Fühlen, hören, eintauchen lesen.
Von so einem Einkaufszettel werde ich ja aber nicht satt. Also, ab in den Supermarkt, zum Bäcker oder in den Bioladen meines Vertrauens.

Ran an den Speck!

Die Wege, um an die begehrten Produkte zu kommen, sind vielfältig - online wie offline.
Ich bin ein Freund davon, selbst in den Laden zu stiefeln. Dort sind dann aber, nicht nur im Hinblick auf die Umwelt, die vielen verpackten Produkte ein echtes Problem. Unabhängig vom Inhalt fühlen sich viele Verpackungen gleich an. Doch zugegeben, selbst die Produkte, die man durch ihre Form gut ertasten kann, machen den Einkauf nicht unbedingt leichter - wenn es dumm kommt, muss ich unzählige Tafeln Schokolade in die Hand nehmen, bis ich die gewünschte Marke erwische. Ganz ehrlich, auch blinde Menschen haben pro Tag nur 24 Stunden zur Verfügung, und da ist die Nacht bereits mit inbegriffen.

Ich mag gerne kleinere Läden, in denen man bedient wird, und im Supermarkt greife ich auf die Hilfe der Verkäuferinnen und Verkäufer zurück. Sie gehen gemeinsam mit mir durch den Laden und sorgen dafür, dass die von mir gewünschten Produkte im Einkaufswagen landen. Bei Bedarf kann ich sie aber auch mal nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum fragen - für mich ein echter Vorteil gegenüber Bestellungen im Internet.

Nachdem die Einkäufe in meinen Besitz übergegangen sind, kann ich sie gemeinsam mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer so auf Rucksack und Beutel aufteilen, dass ich bereits ein wenig vorsortiert habe - das Problem der Verpackung und damit schwierigen Unterscheidbarkeit bleibt ja nach wie vor bestehen.
Zuhause mache ich mir dann verschiedene Hilfsmittel, vorzugsweise Apps auf meinem Smartphone, zu Nutze, um beispielsweise den Barcode zu scannen und mir per Sprachausgabe den Inhalt der Verpackung ansagen zu lassen.

Ich bekomme jetzt langsam Hunger, vor allem wenn ich daran denke, welche Leckereien ich erst heute wieder nach Hause getragen habe. Fastenzeit hin oder her … anstatt auf Nahrung zu verzichten versuche ich lieber noch sorgsamer darauf zu achten, meinen Hausmüll zu reduzieren.

Bei Fragen, Ergänzungen oder Themenwünschen schreib mir einfach in den Kommentaren. Ich freue mich!

Blind Date mit den Tierchen, die nachts die Kleider enger nähen - Lösung: Shoppen!

Weihnachten ist vorbei, die letzten Silvester-Knaller verraucht … wir schreiben das Jahr 2020 und auch die Anzeige der Personenwaage geht mit der Zeit. Will sagen, sie ist nicht stehen geblieben. Ach was schreibe ich, Du weißt doch sicher was ich meine. Braten, Lebkuchen und Glühwein haben wir auf unseren Hüften erfolgreich ins neue Jahr gerettet. Wir? Ja, wir … also viele von uns. Umsonst liest und hört man derzeit nicht überall Diät-Tipps. Stopp! Ich habe eine andere Lösung.
Pünktlich zum neuen Jahr flatterte bei mir nicht nur der erste Diät-Tipp per Spam-Mail ins Haus, sondern auch der Jahresbonus für das Klamottengeschäft meines Vertrauens. Aber wie mache ich das nun mit all den Farben, Schnitten …?

Grün und Blau schmückt die Sau!

Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird ist, wie ich das mit dem Anziehen mache, ob ich mir Farben vorstellen kann. Zunächst einmal ja, ich konnte bis zu meinem 18. Lebensjahr mehr oder weniger gut sehen, zumindest Farben konnte ich erkennen und ich habe eine Vorstellung von Rot, Gelb, Grün und von einem Regenbogen. Auch unter einer Tomate, Himbeere oder Brombeere kann ich mir noch etwas vorstellen. Bei all den Farbabstufungen wird es dann aber tatsächlich schwer bis unmöglich. Da darf ich mich dann nicht zu sehr verbeißen, sonst explodieren all die Farben in meinem Kopf.

Auch von Farbkombinationen, von denen man früher immer sagte das geht nicht, verabschiede ich mich nur langsam. Die Farben muss ich dann vor meinem inneren Auge erst einmal eine Weile auf mich wirken lassen. Manches finde ich dann richtig gut, an manches gewöhne ich mich aber auch nicht - ich glaube das ist dann das, was man persönlichen Geschmack nennt. Eine Verkäuferin meinte einmal: "Sie wissen aber ganz genau was Sie wollen." Na klar, warum auch nicht. Persönlichen Geschmack oder persönlichen Stil legt man ja nicht mit dem Augenlicht ab. Es wird manchmal eben nur etwas schwerer ihn umzusetzen oder zu verfeinern, da man Details nicht einfach irgendwo mal sieht, sondern auf Informationen von Familie und Freunden oder den Medien angewiesen ist.

Entscheidend beim Shoppen ist für mich also zunächst einmal, dass ich jemanden habe, der oder die mir die Farben der Klamotten gut beschreibt. Glücklicherweise arbeitet im Klamottenladen meines Vertrauens eine Verkäuferin, die das wirklich gut beherrscht. Sie weiß auch, welche Farben ich nicht mag und sie sagt mir auch ganz ehrlich, wenn mir eine Farbe nicht steht. Außerdem kennt sie den Inhalt meines Kleiderschranks inzwischen ganz gut - hat sie in den vergangenen Jahren ja tatkräftig mitgeholfen ihn zu bestücken. Das war zum einen sicher geschäftstüchtig, aber auch zu meinem Vorteil, denn so bekomme ich auch immer wieder Tipps womit ich mein neu ergattertes Lieblingsteil gut kombinieren kann. Das ist dann schon einmal mehr als die halbe Miete.

Mein Körper spricht mit mir!

Ist die Farbfrage geklärt, übernimmt den Rest das Körpergefühl. Ich steige also in die Hose, ziehe mir das Oberteil über und höre dann auf mein Körpergefühl. Wenn es sagt: Ja, das bist Du, dann ist eigentlich alles klar. Natürlich bin ich schon so eitel, dass ich mir dann noch mal das optische Okay der Verkäuferin hole, aber in der Regel stimmt das schon mit meinem Gefühl überein. Umgekehrt funktioniert es allerdings nicht. Fühle ich mich verkleidet oder unwohl, kann der optische Eindruck noch so positiv sein - dieses Kleidungsstück wird nicht in meinen Kleiderschrank einziehen.

Bei Schuhen ist es nicht viel anders. Angucken, also ertasten, anziehen und auf mein Gefühl hören. In manchen Schuhen habe ich dann beispielsweise sofort das Gefühl, dass sie mich strecken - bei 1,58 Metern Körpergröße ein nicht ganz unangenehmes Gefühl und entsprechend ein nicht unerhebliches Kaufkriterium.
Manchmal bringe ich auch das zuvor erstandene Kleidungsstück mit und frage nach einem passenden Schuh.

Sollte jetzt der Eindruck entstanden sein, dass ich gerne Shoppen gehe, dann stimmt dies nicht ganz. Lieber gehe ich mit meinem Hund ins Grüne oder in den Delikatessenladen um die Ecke - und am liebsten genau in dieser Reihenfolge. Wie ich nun an all die Leckereien komme, wie ich also meinen Lebensmitteleinkauf organisiere, davon berichte ich beim nächsten Mal.

Fragen, Tipps und Anregungen zum Shoppen sowie all den anderen Themen des Lebens, kannst Du mir wie immer gerne in den Kommentaren hinterlassen.





Bilder sprechen lassen!

Bilder sagen mehr als tausend Worte, und das ist ja auch der Grund, weshalb wir sie beispielsweise in sozialen Netzwerken und über Messenger-Dienste so gerne teilen. Das süße Hunde-Foto, die spektakuläre Aussicht oder das Silvestermenü - das muss man einfach gesehen haben!
Nein, nicht unbedingt. Bilder muss man nicht zwingend sehen, man kann sie auch hören. Hören? Pssst, wenn Du mal gaaanz leise bist ...
Okay, ganz so einfach funktioniert es natürlich nicht. Sie sprechen nicht von selbst. Wir müssen sie sprechen lassen.

Trauriges nachdenkliches Gesicht

Die meisten Fotos, die in den sozialen Netzwerken, also beispielsweise bei Facebook geteilt werden, sprechen leider nicht mit mir. Egal, ob süßes Hunde-Foto, spektakuläre Aussicht oder Silvestermenü, meine Sprachausgabe sagt meist nur: "Keine Fotobeschreibung verfügbar“.
Dies liegt daran, dass der Screenreader, also die Software, die den Bildschirm ausliest und mir in Sprache oder Brailleschrift wiedergibt, nur Text erkennt.
Doch Vorsicht, wenn ein Text abfotografiert wurde, so ist dies letztendlich auch nur ein Bild. Die schön gestaltete Menükarte, die Dir das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt, hinterlässt bei mir auch nur Fragezeichen. In diesem Fall verrät mir meine Sprachausgabe nämlich auch nur: "Bild könnte enthalten Text" … genau hierin liegt aber auch die Lösung.

Grinsendes Gesicht mit zusammengekniffenen Augen

Emojis, wie das traurige, nachdenkliche Gesicht oder das grinsende Gesicht mit zusammengekniffenen Augen, werden mir von der Sprachausgabe vorgelesen … sie sprechen mit mir. Auch deine Fotos können das, und zwar mit Hilfe des so genannten Alternativtextes.

Wenn Du also beispielsweise bei Facebook ein Foto teilst, klicke einfach auf Foto bearbeiten und dann auf Alternativtext. Hier gibst Du eine kurze Bildbeschreibung ein und fertig. Ein grinsendes, zumindest aber ein lächelndes Gesicht meinerseits ist Dir sicher, denn ab sofort heißt es nicht mehr "Keine Fotobeschreibung verfügbar".
Hin und wieder kommt es auch vor, dass bereits automatisch ein Alternativtext erstellt wurde. Wenn also ein Programm im Hintergrund dein Silvestermenü als Essen erkennt, steht im Eingabefeld für den Alternativtext bereits "Essen", und meine Sprachausgabe verrät mir: "Foto enthält Essen". Wenn Dir diese Beschreibung nicht genügt, kannst Du den Alternativtext auch jederzeit ändern oder ergänzen. Doch mach es nicht zu kompliziert … und keine Scheu, eine kurze Beschreibung ist besser als keine!

Nun also ran an den Speck, fotografieren, hochladen, Alternativtext einfügen … Happy New Year!

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Wir stecken wieder einmal mitten drin, im November-Grau. Nebel vermindert die Sicht und das nass-kalte Wetter schlägt aufs Gemüt. Stopp! Kein Grund zu verzweifeln, ich weiß da was … und in Sachen schlechter Sicht kenne ich mich ja schließlich aus. Also pass auf: wir holen uns jetzt beide eine Tasse mit einem duftenden Heißgetränk und wahlweise auch ein oder zwei Kekse. Damit ab auf die Couch, unter eine kuschelige Decke und gaaanz tief eintauchen in eine berührende Geschichte.

Schon als Kind liebte ich Geschichten. Von Astrid Lindgrens "Kinder von Bullerbü" und "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler konnte ich nicht genug bekommen; na klar, und "Die kleine Raupe Nimmersatt". Diese Bücher stehen noch heute in meinem Regal. Schöne Kindheitserinnerungen, die mich sehr berührt haben.

Einfühlsam dank Louis!

Die Begeisterung, sich in fantastische Geschichten einzufühlen, in historische Romane oder in Krimis einzutauchen, ist mir geblieben. Nur heute fühle ich noch einmal auf eine ganz andere Art: ich ertaste sie Punkt für Punkt. Daher nennen wir diese Schrift auch Punktschrift, Blindenschrift oder nach ihrem Entwickler Louis Braille: Brailleschrift.

Sicher hast Du solch eine Ansammlung von Punkten schon einmal gesehen und dich vermutlich gefragt, wie man daraus eine Geschichte oder sonst einen sinnvollen Text ertasten kann. Geht, dank Louis Braille. Aus nur sechs Punkten entwickelte er ein System, mit dem sich jeder Buchstabe des Alphabets und noch viele weitere Zeichen darstellen lassen. Stell dir einfach einen Eierkarton für sechs Eier vor. Du hast jetzt also jeweils zwei Eier nebeneinander und drei Eier untereinander. Je nachdem welche Eier du nun entnimmst, erzeugst du einen Buchstaben, ein Satzzeichen oder auch eine Kombination mehrerer Buchstaben. Es gibt nämlich nicht die eine Blindenschrift. Wir unterscheiden eine Basisschrift, eine Vollschrift, eine Kurzschrift, Computerbraille oder beispielsweise auch eine Schrift für Mathe, eine Notenschrift für Musiknoten ... nur Sesambrötchen folgen keiner Systematik und liefern daher auch leider keine Kurzgeschichten.

Ich will es nicht zu kompliziert machen. Daher nur so viel: In der Basisschrift bildet jede Kombination aus den zuvor genannten sechs Eiern, also Punkten, einen Buchstaben ab. Die meisten Bücher in Brailleschrift sind jedoch in Kurzschrift gedruckt. Hier werden Lautgruppen, Silben oder auch ganze Worte durch nur ein oder zwei Zeichen dargestellt. Das Wort Blindenschrift beispielsweise besteht aus nur fünf Zeichen. Damit erhöht sich dann auch, jedenfalls nach intensivem Üben, die Lesegeschwindigkeit. Klar, fünf Zeichen sind mit dem Finger schneller erfasst als 14 Zeichen - so viele Buchstaben hat das Wort Blindenschrift nämlich.

Wenn Du einmal sehen möchtest, wie dein Name in Brailleschrift aussieht, dann schau mal hier: https://www.woche-des-sehens.de/infothek/zum-selbsterleben/braille-simulator

Einfühlsam geht auch anders!

Einen Nachteil haben Bücher in Brailleschrift allerdings. Sie sind, auch in Kurzschrift, sehr unhandlich. Ein Taschenbuch füllt schnell mal zwei Ordner. Das liegt unter anderem an der Größe eines Zeichens und an dem dickeren Papier. Das ist auch der Grund, weshalb ich jetzt gestehen muss, dass ich zu Beginn etwas geflunkert habe. Ich lese keine Bücher in Brailleschrift. Mit so einem Ordner lässt es sich einfach nicht so bequem auf der Couch herumlümmeln.
Meinen Einkaufszettel mit den Keksen und dem Tee, den schreibe ich aber tatsächlich immer in Brailleschrift. In diesem Fall haben die Pünktchen nämlich einen echten Vorteil: sie lassen sich wegkratzen. Also sind die Kekse im Einkaufswagen, kratze ich sie von der Einkaufsliste. So behalte ich immer den Überblick und vergesse nichts.

Wenn ich in Geschichten eintauche, dann greife ich auf Hörbücher zurück. Nur was hätte ich über Hörbücher schon spannendes schreiben können. Die sind inzwischen ja absolut kein Nischenprodukt mehr. Aber einen kleinen Tipp habe ich in Sachen Hörbücher zum Abschluss vielleicht noch. Du siehst selbst nicht gut, oder Du kennst jemanden: Blinde und sehbehinderte Menschen können bei Blindenhörbüchereien kostenlos Hörbücher ausleihen. Aber auch Zeitschriften und Wochenzeitungen bekommt man dort.

So, nun bleibt mir nur noch, dir eine gute Zeit mit vielen tollen Büchern zu wünschen; und wenn Du noch Fragen hast - zur Brailleschrift oder den Blindenhörbüchereien, dann schreib mir einfach in den Kommentaren. Gerne darfst Du mir dort auch Lesetipps hinterlassen!

"Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm!" Genau das ist auch der Grund, weshalb ich immer artig antworte, wenn mich wieder einmal jemand an der Straßenbahnhaltestelle, beim Gassi gehen oder sonst irgendwo anspricht und mich über mein Leben ausfragt. Nun möchte ich mir nicht anmaßen, all diejenigen als dumm zu bezeichnen, die das Leben mit Blindheit nicht kennen. Eine gewisse Unwissenheit ist ja aber nicht von der Hand zu weisen.

Woher soll man als Otto oder Ottilie Normalverbraucher aber auch wissen, wie das Leben ohne Augenlicht so ist. Als ich mit 13 Jahren sehbehindert wurde, hatte ich auch keine Vorstellung davon. Ich kannte außer meiner Uroma und meinem Opa keine blinden oder sehbehinderten Menschen. Sie wachsen ja nicht auf den Bäumen, und auch im Kindergarten oder in der Schule bin ich keinem blinden Kind begegnet. Das mag sich inzwischen ein wenig, ein ganz kleinwenig gewandelt haben, und doch gibt es täglich die Situation, dass ich Blicke auf mich ziehe, Kinder fragen, was denn mit der Frau sei oder ich eben auch direkt angesprochen werde.

Wieso, weshalb, warum?

Keine Frage, ich bin anders … und doch wieder nicht; und an manchen Tagen würde ich mir wünschen, auch einfach nur mal ganz normal zu sein. Aber was ist schon normal? Ich habe zwei Arme, zwei Beine und die Nase mitten im Gesicht. Im Gegensatz zu Frühaufstehern breche ich nicht jeden Morgen in Jubel aus, wenn mich der Wecker aus meinen Träumen reißt; und ich mag Schokolade … und doch steht häufig eben dieses kleine Detail zwischen mir und all den Langschläfern und Schoko-Junkies. Damit entstehen dann auch immer wieder diese Fragen: woher weißt Du wie spät es ist, welche Schokolade Du gerade aus dem Monatsvorrat erwischt hast …?

Vieles in meinem Leben ist gar nicht so spektakulär anders. Manches mache ich eben nur etwas anders und für vieles gibt es Hilfsmittel oder ich habe so meine Tricks. Hin und wieder muss ich auch um Hilfe bitten. Während du also auf deine Uhr schaust, habe ich eine taktile Armbanduhr oder einen sprechenden Wecker. Meist greife ich aber auf meinen ständigen Begleiter zurück, das iPhone. Dank der Sprachausgabe VoiceOver kann ich mir die Uhrzeit ansagen lassen oder die Wecker-App bedienen; und über verschiedene Apps kann ich den Barcode der Schokolade einscannen, um mir dann die entsprechenden Informationen ansagen zu lassen. Wenn allerdings ein neuer Monatsvorrat fällig wird, bitte ich im Supermarkt eine freundliche Verkäuferin um Hilfe. Bis ich nämlich alle Regale durch bin und jedes Produkt einmal in der Hand hatte, ist vermutlich der Monat auch schon wieder um.

Foto: Taktile Armbanduhr mit geöffnetem Deckel. Mein rechter Zeigefinger ertastet die Uhrzeit.

Wer nicht fragt, bleibt dumm!?

Ich glaube es ist wichtig, auf all diese Fragen einzugehen; und meine Erfahrung zeigt: je mehr Unwissenheiten abgebaut werden, desto mehr kann ich als Person in den Vordergrund rücken. Daher gehe ich beispielsweise auch als Vorlesepatin in Kindergärten und Grundschulen. Neben einer Geschichte habe ich dann auch immer Zeit für Fragen im Gepäck; und wenn ein kleines Mädchen fragt, wie ich das auf dem Klo mache, beantworte ich auch das.

Leider stoße ich hin und wieder auch an Grenzen. Erst vor wenigen Tagen wurde ich mal wieder auf der Straße gefragt, wie ich mit der Blindheit zurechtkomme. Harter Einstieg in ein Gespräch, wenn man jemanden überhaupt nicht kennt. Schwamm drüber. Wir unterhielten uns einige Minuten und ich versicherte, dass ich ganz gut zurechtkomme. Lieschen, mein Blindenführhund, wedelte auch begeistert mit dem Schwanz. Das Gespräch endete dennoch damit, dass man ein Gebet für mich sprach und darum bat, dass ich wieder sehen kann. Ich bete eigentlich nicht. An diesem Abend habe ich jedoch ebenfalls ein Gebet gesprochen und zwar für weniger Engstirnigkeit, mehr Vielfalt und Toleranz.

Also, bleib neugierig und wenn Du Fragen an mich hast, kannst Du mir diese gerne in den Kommentaren hinterlassen. Denn wir wissen ja alle noch aus der Sesamstraße: "1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen. Manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen."

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Kaum sind wir aus den Sommerferien zurück, stehen die Herbstferien vor der Tür. Ja, hört das denn nie auf? Nein!

Natürlich besteht nicht das gesamte Leben aus Ferien, und auch wenn die Koffer mal für ein paar Wochen in die Ecke wandern, so dreht sich das Leben fröhlich weiter. Auch im Alltag gibt es genügend Wege zu bereisen und Grenzen zu überwinden.

Bereits in meinem letzten Beitrag, Sommerzeit ist Reisezeit, habe ich Dich dazu eingeladen, gedanklich mit mir durch den Alltag zu reisen, verschiedene Barrieren kennen zu lernen und bestenfalls zu überwinden. Ich hoffe Du hast die Stiefel geschnürt, denn es gibt noch jede Menge zu entdecken.

Der Weg ist das Ziel!

Los, tauchen wir ein, in das Getümmel dieser Straße.

Beginnen wir mit einer Situation, die Dir inzwischen nicht mehr so fremd sein dürfte: das Überqueren einer Straße.
Hier gibt es sogar Ampeln, nur leider ohne akustische oder tastbare Signalgeber für blinde und sehbehinderte Menschen. Schade, es hätte so einfach sein können!

Die Farben rot und grün spielen nicht nur bei der Ampel eine wichtige Rolle. Menschen mit einer Rot-Grün-Sehschwäche - übrigens die häufigste Farbfehlsichtigkeit - können hiervon ein Liedchen singen. Da sie die Farben rot und grün nicht auseinanderhalten können, ist es ihnen nicht möglich, beispielsweise Schilder, wie das Supermarktschild im Suchbild zu erkennen.

Da, noch ein Schild. Dieses Mal nicht in rot und grün gehalten, aber verstehst Du, worauf es hinweist?
Für Menschen mit Sprach- und Lernschwierigkeiten ist "Grundstücksverkehrsgenehmigungsbehörde" wirklich nicht verständlich. Das geht auch kürzer und einfacher!

Um keine Genickstarre zu bekommen, wenden wir unseren Blick nun mal in Richtung Boden. Eine solch geriffelte Linie entlang des Fußwegs hast Du sicher schon mal gesehen … vielleicht hast Du auch schon mal darauf gestanden. Das sind so genannte Bodenleitplatten. Sie helfen blinden und sehbeeinträchtigten Menschen bei der Orientierung im Straßenverkehr, indem sie auf Richtungswechsel, Verzweigungen oder auch auf Haltestellen hinweisen. Leider finden wir hier nur auf einer Straßenseite ein solches Leitsystem. Dieses wird nun auch noch von einem Haltestellenschild und einem Mülleimer verstellt. Nicht schön … gar nicht schön.
Stell Dir vor Du machst die Augen zu und orientierst Dich an den Bodenleitplatten. Auuuuaaa! Klar, wenn Dir der Mülleimer gegen das Schienbein oder das Schild gegen die Nase knallt - und das wird es - dann tut das wirklich weh!

Bleiben wir noch kurz stehen. Stopp! Natürlich neben den Bodenleitplatten!
So kann ich noch auf einen weiteren Punkt an der Haltestelle hinweisen. Es gibt sie noch immer: Haltestellen ohne dynamische Anzeigen oder Lautsprecher, die über den Linienplan und aktuelle Änderungen informieren ... bestenfalls in leichter und verständlicher Sprache!

Puh, ganz schön viele Barrieren hier. Ich glaube, wir suchen uns langsam mal ein schönes Café, um uns etwas auszuruhen. Dafür müssen wir jedoch über die Straße, und auch ohne Ampel wird es nicht gerade einfacher … siehst Du das dunkelrote Auto? Es hat genau am abgeflachten Bordstein geparkt. Damit versperrt es uns mit Rollstuhl und Rollator den Weg. Wir müssen also wieder ein ganzes Stück zurück.

Auf dem Weg zurück, kommen wir noch einmal an der Behörde, dem grauen Gebäude vorbei. Hier kann ich noch auf eine weitere Barriere hinweisen: die Treppe.
Inwiefern die Treppe für Rollstuhlfahrer, aber auch für Familien mit Kinderwagen eine Barriere darstellt, ist womöglich allen klar. Hier haben wir aber noch ein weiteres Problem: Menschen mit vermindertem Kontrastsehen erkennen die Stufen nicht. Daher sollten sich Stufen durch eine auffällige Markierung vom Boden abheben. Ein bisschen Farbe, das heißt ein gelber Randstreifen, wäre hier nicht nur ein schöner Farbtupfer, sondern sehr hilfreich!

So, jetzt aber wirklich genug. Ich kann keine Barrieren mehr sehen. Hahaha.
Zu früh gefreut … möglicherweise ist da doch noch eine … nein, keine Stufen ins Café, keine zu schmale Tür, durch die der Rollstuhl nicht passt. Nein, wir werden auch hier, wie beim Supermarkt, darauf hingewiesen, dass Hunden der Zutritt verboten ist. Mein Lieschen ist ja aber nicht irgendein Hund. Lieschen ist ein ganz besonderer Hund, ein Ausnahmehund. So wie mein Lieschen frisst … Quatsch, ich meine Lieschen ist ein Blindenführhund! Ja und, Hund ist Hund. Nicht ganz: Auch wenn es einigen Inhabern von Supermärkten, Lebensmittelgeschäften oder Restaurants nicht bekannt ist, laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist Blinden- und Assistenzhunden entsprechend des Diskriminierungsverbotes der Zutritt zu Verkaufsräumen gestattet.
Nach etwas Aufklärung ist nun also auch uns, samt Lieschen, der Zutritt ins Café möglich. Keine Stufen halten uns auf. Geschafft!

Ankommen ist auch ganz schön!

Das Thema Barrierefreiheit ist viel zu umfangreich, um es auf unserer kleinen Reise umfassend zu erkunden. Ich hoffe jedoch, Du kannst einige neue Eindrücke für dich mitnehmen. So beispielsweise, dass das sperrige Thema Barrierefreiheit im Alltag auch manchmal durch Kleinigkeiten und ein wenig Aufmerksamkeit erreicht werden kann … und zwar für vielmehr Menschen, als man zunächst glauben mag. Es braucht keine Behinderung, um von Barrieren behindert zu werden. Treppen beispielsweise erschweren Familien mit Kinderwagen den Alltag erheblich; und schwere Sprache macht ihn auch nicht leichter. Denken wir an Bürokratendeutsch - da hilft es auch nicht unbedingt Muttersprachler zu sein.

Der Weg ist das Ziel, aber ankommen ist auch ganz schön!
Komm gut in und durch den Oktober. Ende des Monats liest Du wieder von mir. Natürlich freue ich mich aber auch in der Zwischenzeit über deine Erfahrungen, Fragen und Wünsche für weitere Beiträge in den Kommentaren!

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… und wer eine Reise macht, der hat was zu erzählen. Klar, es ist aufregend Grenzen zu überwinden. Finnland war sooo schön … und wenige Wochen nach Finnland, vielleicht gerade jetzt, während Du diesen Beitrag liest, bin ich schon wieder verreist. Dieses Mal nach Irland. Was für ein Sommer! Doch wenn Du glaubst, das war schon der Knüller, dann halte Dich jetzt fest: im Grunde reise ich nämlich täglich. Wow, was für ein Leben!

Wenn also ein Merkmal des Reisens das Überwinden von Grenzen ist, dann reise ich tatsächlich täglich. In diesem Kontext nennen wir die Grenzen dann in der Regel aber Barrieren.

Reisefreiheit oder Grenzkontrollen

Also gut, genug Vorgeplänkel. Ich nehme Dich mal mit auf meine täglichen Reisen. Aber Vorsicht, Du solltest sorgfältig packen und gut auf dein Gepäck aufpassen. Bereits der Verlust von Kleinigkeiten kann dazu führen, dass Du durch die strengen Grenzkontrollen massiv an deiner Reisefreiheit gehindert wirst. Na gut, nennen wir es beim Namen: behindert wirst. Du glaubst mir nicht?

Stell Dir vor, wir stehen an einer komplizierten Kreuzung an der Ampel und diese Ampel gibt kein Tonsignal von sich. So, und jetzt hast Du dein Augenlicht vergessen, dieses kleine, leicht übersehbare Detail. Was dann? Dann haben wir es nicht einfach nur mit einer Grenze zu tun, sondern mit knallharten Grenzkontrollen. Das Ampelmännchen signalisiert nämlich nur denjenigen, dass sie sicher auf die andere Seite können, die beim Packen auch wirklich an alles gedacht haben. Unterm Strich heißt das: Pech gehabt oder wenn in der Seitentasche des Handgepäcks noch ein Quäntchen Mut steckt, dann raus damit und illegal rüber. Ich hab ja nie behauptet, dass es nicht aufregend sei, so eine Grenze zu überwinden.

Du glaubst, das kann Dir nicht passieren? Du vergisst dein Augenlicht sicher nie? Dann pass mal auf, was passiert, wenn Du etwas Falsches im Handgepäck hast. Ich denke da an einen Rollator oder Kinderwagen.
Nein, dann musst Du die Grenzkontrollen tatsächlich nicht fürchten. Du hast alles Wesentliche dabei … nur eben zu viel. Das heißt, rein theoretisch darfst Du mit Rollator oder Kinderwagen sicher auf die andere Seite. Rein theoretisch. Praktisch kommst Du mit deinem Übergepäck aber nicht weiter. Der Bürgersteig ist einfach zu hoch oder der Zugang zum Ampelübergang zu schmal, weil vollgeparkt. Aber tröste Dich, Du hast dein Augenlicht dabei und kannst zumindest mal rüber linsen.

Puh, langsam wird die gemeinsame Reise etwas anstrengend. Der eine hat dies vergessen, der andere das. Einmal ist es das Augenlicht, einmal der Sonnenschein im Herzen. Wieder andere schleppen viel zu viel Gepäck mit sich herum und können einen Bürgersteig oder eine Treppe nicht überwinden.

Gute Reise!

Wir machen uns jetzt mal getrennt auf die Socken. Ich reise weiter durch die Welt und meinen Alltag. Währenddessen lass ich Dir die folgende Zeichnung hier. Wenn Du möchtest, kannst Du gedanklich auch deinen Koffer packen und diese Straße bereisen. Stößt Du auf Grenzen?
Anders gefragt: In der folgenden Zeichnung sind zehn Alltagsbarrieren versteckt. Findest Du Sie?

Gerne kannst Du die Barrieren, die Du findest, in die Kommentare schreiben. Vielleicht finden wir ja auch gemeinsam Wege, sie zu überwinden.

Ein dickes Sorry an all diejenigen, die die Zeichnung nicht sehen können. Eine Bildbeschreibung würde jedoch eine Auflösung beinhalten ... vielleicht habe ich hier aber auch gerade eine Barriere in meinem Kopf. Wie auch immer, ich verspreche: eine Bildbeschreibung und natürlich die Auflösung gibt es nach meiner Irlandreise Ende September. Bis dahin noch einen schönen Sommer!

Wer hat den Satz noch nicht gehört: Das geht nicht, das lass mal besser sein. Entweder weil es zu aufwendig erscheint, zu gefährlich oder gar undenkbar. Mich wollen hilfsbereite Menschen häufig schon an so alltäglichen Dingen, wie die Straße zu überqueren, hindern. Nein, nicht weil da ein Auto oder ein anderes Gefährt kommt. Okay, doch, da kommt schon ein Auto oder eine Straßenbahn, irgendwann …
Nun bin ich ja aber, so wenig wie andere auch, den ganzen Tag damit beschäftigt die Straße zu überqueren. Dieses waghalsige Abenteuer ist ja nur Mittel zum Zweck. Entweder um zur Arbeit zu kommen, zum Einkaufen, zum Bahnhof oder, oder, oder.
Was, sie geht auch arbeiten, macht ihren Haushalt und füllt selbst ihren Kühlschrank … pssst, ja, sie plündert ihn auch wieder selbst; und dann auch noch verreisen? Das könnte ich nicht. Schade, ich glaube man hat im Leben immer nur zwei Möglichkeiten: entweder man lebt es oder man lässt es bleiben. Bei dieser Auswahl halte ich die erstere Alternative für die durchaus attraktivere!

Jetzt sind es ja aber nicht immer nur die Stimmen der anderen, die uns von etwas abhalten wollen. Da gibt es auch noch das Teufelchen auf unserer eigenen Schulter, dass uns gerne mal zuflüstert: Das geht nicht, das schaffst Du nicht. Lass es lieber sein!

Das Teufelchen sagt grundsätzlich: „Geht nicht!“

Als Kinder reizt uns ein Verbot. Wenn die Eltern „nein“ sagen, haben wir den starken Drang es erst recht auszuprobieren. Irgendwann werden dann die Eltern durch das Teufelchen auf unserer Schulter verdrängt. Das Teufelchen warnt aber nicht nur vor Gefahren, es sorgt auch für mehr oder weniger Bequemlichkeit in unserem Leben. Und da erscheint es dann schon durchaus reizvoller artig zu folgen.

Im Beitrag Mehr Meer oder Ostseh habe ich von meinem ersten Kurztrip alleine mit meinem Blindenführhund Lisa berichtet. Dabei habe ich auch meine Sorgen und Ängste geschildert. Genau da hatte sich nämlich das Teufelchen eingemischt: Nein, lass das mal besser. So lange Zug fahren für die wenigen Tage und dann auch noch alleine. Als blinder Mensch ist doch schon das gewohnte Umfeld Herausforderung genug.
Ich hätte mich einfach vom Teufelchen überzeugen lassen können. Dann wäre mir eine stressige Zugfahrt mit mächtig Verspätung erspart geblieben. Ich hätte Nerven und Geld gespart und … ich hätte soooo viele schöne Erfahrungen nicht gemacht. Gut, dass sich mein Dickkopf dem Teufelchen widersetzt hat und ich dem Drang nach der attraktiveren Alternative, nämlich dem Leben, Raum gegeben habe.

Lieber Teufel, Mut ist ein Muskel …

Warum aber widersetzen wir uns manchmal dem Teufelchen und warum tun es manche häufiger als andere? Ich habe hierauf keine wissenschaftlich untermauerte Antwort. Wenn ich mich jedoch mit Freunden und Bekannten unterhalte, die ich für äußerst taff halte, komme ich zu folgendem Schluss: Sie haben etwas, wofür sie brennen. Sie haben eine Leidenschaft, einen Traum, und dafür gehen sie das Risiko ein und überwinden Ängste oder Selbstzweifel. Ängste und Selbstzweifel haben nämlich, so jedenfalls meine Beobachtung, alle. Entscheidend ist nur, dass man sie überwindet. Ist der Wille stark genug und eine Leidenschaft für etwas da, scheint sich der Kampf mit dem Teufelchen zu lohnen.

Je häufiger man den Kampf mit dem Teufelchen aufnimmt, positive Erfahrungen sammelt, oder auch aus negativen Erfahrungen lernt, umso stiller wird das Teufelchen.
In meinem Fall ist es der Drang nach Selbstbestimmung, der mich hin und wieder antreibt, es mit dem Teufelchen aufzunehmen. So manchen Kampf habe ich auch schon gewonnen. In Sachen Kurztrip alleine an die Ostsee mischt es sich inzwischen erst gar nicht mehr ein. Bei neuen Reisezielen sieht es schon wieder anders aus. Wir haben da wohl noch so einige Kämpfchen auszutragen, mein Teufelchen und ich, und vermutlich wird es auch nie verstummen. Ich glaube aber das tut so ein Teufelchen nie, und vielleicht ist es auch gut, dass da so ein treuer Begleiter ist, der immer mal wieder mahnt und warnt und an dem man sich reiben kann. Aber lass es Dir gesagt sein, liebes Teufelchen: Mut ist ein Muskel, der trainiert werden kann!

Also, wenn Du Träume hast, sei es beruflich oder privat: lass Dich nicht abhalten. Gut gemeinte Ratschläge oder Ermahnungen kann man sich ja anhören und abwägen, aber geht nicht, gibt’s nicht!

Lass Dich bitte auch nicht von Fragen, Anmerkungen oder Kritik – positiv wie negativ – in den Kommentaren abhalten. Ich freue mich darauf!