Springe zum Inhalt

Was haben (blinde) Menschen und Äpfel gemein?

 

Eine kleine Geschichte über die Inklusions-Äpfelchen und warum Barrierefreiheit so wichtig ist, ohne das Wort Inklusion oder Barrierefreiheit zu erwähnen.

Vieles was ich hier in diesem Blog schreibe, entspricht meiner ganz eigenen Sicht auf die Dinge. Ich berichte von meinen Ansichten und Erfahrungen und diese sind natürlich geprägt durch individuelle Voraussetzungen, Herangehensweisen oder Umstände.

Mit meinen Beiträgen möchte ich also lediglich einen Einblick in mein Leben geben. So läuft es bei mir, und manchmal läuft es eben auch nicht. Bei anderen blinden Menschen kann es ganz anders aussehen. Ist ja auch klar, denn in erster Linie sind wir alle Menschen und damit jeder von uns einzigartig!

Was hat das nun mit Äpfeln zu tun?

Auch Äpfel sind sehr vielfältig. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe, Form, ihrer Farbe und im Geschmack. Kennt man einen, kennt man noch lange nicht alle, selbst von der gleichen Sorte nicht.

Ich wurde bereits als kleines Äpfelchen gut gehegt und gepflegt. Mit meinen roten Bäckchen hing ich an einem kräftigen Baum mit tiefen Wurzeln. Dies gab mir immer die Sicherheit mich ausprobieren zu können.

Mit 13 Jahren bekam meine glänzende Oberfläche die erste Delle. Ein drastischer Sehverlust, ein Makel! So dachte ich zunächst, und auch für meine Eltern war es nicht einfach. Doch auch wenn der Ast an dem ich hing sich etwas in Richtung Boden neigte, versorgten mich die Wurzeln weiterhin gut mit Nährstoffen. Mein Vater setzte mich auf sein Moped und strampelte auf seinem Fahrrad vor mir her, sodass ich mich an ihm orientieren konnte. Er gab mir Fahrstunden in unserer Familienkutsche und meine Mutter packte die Koffer. Nein, sie hat nicht das Weite gesucht - zumindest nicht alleine. Seit dem Eintritt meiner Sehbehinderung sind wir beide einmal jährlich für ein verlängertes Wochenende verreist. So konnte ich mich und das Leben mit Sehbehinderung weiterhin ausprobieren, neue Erfahrungen sammeln und neue Wege finden.

Auch im späteren Leben traf ich immer wieder auf Lehrer und Vorgesetzte, die mich darin bestärkt haben, mich auszuprobieren, ich selbst zu sein und die Blindheit nicht als Makel zu sehen. "Es ist keine Schwäche, dass Du nichts siehst, sondern eine Leistung" - so oder so ähnlich drückte es einmal ein Vorgesetzter aus. Dies anzunehmen fiel mir zunächst etwas schwer, doch er ergänzte: "Dies gilt ebenso für die Kollegen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Neben ihrer Arbeit am Institut sehen sie sich zusätzlich der Herausforderung gegenüber ihren Alltag in einer fremden Kultur und einer fremden Sprache zu meistern, und das ist eine Leistung."

Um noch einmal auf die Äpfelchen zurückzukommen: Alle Äpfelchen, die als wohlschmeckender Apfel heranwachsen sollen, brauchen eine gute Pflege und beste Voraussetzungen. Das heißt der Baum selbst, also das unmittelbare Umfeld sollte stark und gesund sein, aber auch die Umweltbedingungen spielen eine große Rolle. Eine Windböe kann einem kräftigen und gesunden Baum nicht viel anhaben, und eine Delle vermindert den Geschmack noch lange nicht. Doch eine große Dürre oder ein Wirbelsturm haben schwere Folgen - nicht nur für das zu Schaden gekommene Äpfelchen. Auch alle anderen werden nie erfahren, wie wohlschmeckend dieses zu klein geratene, runzlige oder fleckige Äpfelchen ist, und wieviel Freude es uns in Form von Apfelsaft, Apfelkuchen oder Apfelmus bereiten kann.

Hast Du Appetit auf mehr Gedanken oder Erlebnisse von mir bekommen, dann freue ich mich über Kritik und Wünsche für weitere Beiträge in den Kommentaren!

 

 

Zum Glück blind!

 

Bitte was? Ja, ich habe meinen Blog tatsächlich "Zum Glück blind!" genannt. Hierfür gibt es mindestens zwei Gründe:

  1. Ohne die Blindheit wäre ich heute nicht die, die ich bin.
  2. Auch mein Leben ist sehr bunt - vielleicht auch deshalb, weil ich nichts sehe.

Ich könnte auch schreiben: Ich bin blind, und das ist gut so!

Ohne die Erblindung wäre mein Leben sicher anders verlaufen. Ich hätte eine andere Schule besucht, vielleicht wäre ich nie nach Kiel oder Halle (Saale) gezogen, hätte vermutlich andere Menschen kennen gelernt, vielleicht auch andere Fähigkeiten und andere Interessen entwickelt. Es wäre sicher einiges anders gekommen. Aber das ist unerheblich, denn so wie es ist, ist es schön!

Ja, auch wenn man nichts sieht, kann das Leben sehr schön und bunt sein. Rosarot und himmelblau ist es aber natürlich nicht. Wie jeder andere Mensch sehe auch ich mich den verschiedensten Herausforderungen gegenüber. Manchmal stehe ich mir selbst im Weg, und dann sind da auch immer wieder diverse Barrieren, die ein selbstbestimmtes Leben erschweren. Auch wenn ich beste Voraussetzungen habe und sie daher meist sportlich nehme, sind es eben genau diese Barrieren, die mich deutlich unglücklicher machen als die Tatsache, dass ich nichts sehe.

Okay, die Blindheit stand auf meinem Wunschzettel auch nicht ganz oben, aber sie gehört zu mir und sie hat mich geprägt - doch nicht nur die Blindheit!

Ich in Kürze

Portraitaufnahme auf dem Halleschen Marktplatz mit meinem Blindenführhund Lisa
Foto: Patrick Bablo

Ich bin zwar mit 1,58 Metern Körpergröße nicht sehr groß geraten, wer ich bin, das lässt sich aber unmöglich in Kürze beschreiben. Die einzelnen Blogeinträge, die ich künftig hier veröffentlichen werde, werden nach und nach ein Bild von mir zeichnen. Für heute erst einmal ein paar Eckdaten.

Name: Nadine Wettstein;

Geburtsjahr und -ort: 1978 in Heidelberg;

Sehbehinderung: Drastische Sehverschlechterung mit 13 Jahren, Erblindung mit 18 Jahren;

Studium: Ökotrophologie (Haushalts- und Ernährungswissenschaften) in Kiel;

Berufserfahrung: Wiss. Mitarbeiterin in den Agrar- und Ernährungswissenschaften;

Heutiger Beruf/Berufung: Freie Dozentin und Beraterin für Inklusion;

Interessen: Lesen, Reisen, Sport und Kultur, ehrenamtliches Engagement, Natur und Lisa …

 

Erläuterung: Lisa, Lieschen, Stinki oder Stinker ist meist an meiner Seite. Auch wenn man es vielleicht nicht immer glauben mag, sie ist ein ausgebildeter Blindenführhund und ein verrücktes Huhn. Sie liebt Bananen, weshalb vielleicht auch ein Äffchen in ihr steckt. Alles in allem ist sie ein großer Schatz und ich werde mit Sicherheit noch häufiger von ihr schreiben.

 

Die Tatsache, dass ich nichts sehen kann - wirklich gar nichts - beeinflusst die Art und Weise wie ich lebe, wie ich meinen Hobbies nachgehe, wie ich meinen Beruf ausübe. Es ändert aber nichts daran, dass ich meinen Beruf mit Leidenschaft ausübe und mit viel Freude meinen Interessen nachgehe - und genau hierüber werde ich monatlich in diesem Blog schreiben. Auch wenn einmal etwas nicht funktioniert, werde ich dies hier nicht verschweigen. Wer allerdings mehr über Augenerkrankungen lesen möchte, der ist hier falsch. Zum einen fehlt mir hierzu das medizinische Fachwissen, zum anderen gibt es aus meiner Sicht deutlich spannenderes: das Leben!

 

Hast Du schon erste Themenwünsche für diesen Blog, kannst Du mir diese sehr gerne in den Kommentaren mitteilen.