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Wie du als aufmerksamer Leser meines Blogs sicher schon festgestellt hast, ist Kommunikation ein Thema, das mich immer wieder umtreibt. Also ich meine das miteinander reden oder eben auch nicht. Klar, so bekomme ich ja schließlich meine Informationen … oder eben auch nicht.

Um dies gleich vorweg zu nehmen, es gibt auch in meinem Alltag viele gute Beispiele gelungener Kommunikation. Deutlich amüsanter sind jedoch die Begebenheiten, von denen ich heute erzählen möchte. Schmunzeln ist also ausdrücklich erlaubt; das tue ich auch, zumindest im Nachhinein.

Reden ist Silber … schweigen aber nicht immer Gold

Ein beliebter Ort um zu Schweigen ist beispielsweise die Straßenbahn. Eine klare Auskunft, um welche Linie es sich handelt oder ob der Sitzplatz vor mir frei ist, häufig Fehlanzeige. Selbst eine unklare Auskunft wäre besser als nichts. Antwortet man also auf meine Frage, ob der Sitzplatz frei sei mit "nein", weiß ich zwar immer noch nicht, wo es einen freien Sitzplatz gibt, aber immerhin verringert sich die Anzahl der möglichen Sitzplätze schon einmal um diesen einen; und zugegeben, so wahnsinnig clever ist die Frage von mir ja auch nicht gestellt. Möchte ich wissen, ob es noch einen freien Sitzplatz gibt, könnte ich ja auch einfach fragen ob und am besten wo ich eben diesen begehrten Platz finde. Nur nach gut einem viertel Jahrhundert Blindheit kenne ich die häufigsten Antworten hierauf bereits: hier oder da. Nur wo ist hier oder da? Rechts? Links? Zwei Reihen weiter?
Getoppt wird die Richtungsangabe hier und da eben nur durch all diejenigen, die eisern beim Schweigen bleiben und darauf spekulieren, dass ich mich auf ihren Schoß setze oder dass ich noch rechtzeitig den Angstschweiß riechen kann, der mir mitteilen soll, dass man an der nächsten Station aussteigen möchte. Beim Ellbogen, der sich beim heimlichen vorbeidrücken in meinem Gesicht wiederfindet, höre ich dann allerdings auf zu schmunzeln.
Ich verstehe durchaus, dass es in der Regel Unsicherheit oder auch Berührungsangst ist, die zum Schweigen führt. Schließlich hatte ich selbst einmal gut gesehen … aber ich möchte auch einfach nur zur Arbeit oder zum Einkaufen, in die Kneipe oder zum Bahnhof fahren und nicht zu meinem UFO-Landeplatz.

Und weil es immer wieder so schön ist, noch eine Geschichte zu der Richtungsangabe hier und da.

Original so geschehen auf dem Marktplatz. Ich hatte die Orientierung verloren und nach dem Weg gefragt. Eine Antwort kam auch prompt: "Da vorne."
Auf diese Antwort reagierte ich mit einer Gegenfrage: "Links, rechts, gerade aus?". Im Grunde eine prima Hilfestellung, fand ich. "Da" war aber alternativlos. Also drehte ich mich langsam im Kreis und fragte ständig "Da?". Nachdem ich einmal rum war musste ich wohl so ratlos geschaut haben, dass prompt die freundliche Antwort kam: "Da vorne!".

Reden ist halt auch nur Silber

Auch zu viel Kommunikation kann zu viel sein. Also beispielsweise immer dann, wenn man wieder einmal für mich beten möchte, man also darum bitten möchte, dass ich wieder sehen kann. Hmmm, ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich jemals jemand vorher gefragt hätte, ob ich das überhaupt will.

Aber auch folgende Geschichte mit ein wenig zu viel an Kommunikation kommt abends bei einem Bierchen immer gut: Es war einmal … eine Frau stand vor meinem Blindenführhund, schaute ihn an und sagte: "Nein, ich darf dich nicht ansprechen. Oder als ein Bauarbeiter auf mich zukam und meinte: "Da vorne ist eine Baustelle. Da müssen Sie dann mal schauen." Okay, …

In diesem Sinne: Schauen wir einfach nach vorne. Der Sommer steht vor der Tür, die Corona-Zahlen gehen immer weiter zurück; vielleicht ein guter Anlass mal wieder ein wenig mehr aufeinander zuzugehen und miteinander zu kommunizieren.

Mein heutiger Beitrag lässt sich mit dem Slogan "Spannung, Spiel und Schokolade" zusammenfassen. Also, alles was man für einen guten Spieleabend braucht. Die Schokolade ist selbsterklärend; aber was macht einen spannenden Spieleabend aus?
Spielregel Nummer Eins: Wie im echten Leben, habe ich die Karten gerne selbst in der Hand. Spiele, bei denen ich also eher als schmückendes Beiwerk daneben sitze und mir alles von meinen sehenden Mitspielern erklären und vorlesen lassen muss, finde ich eher mau. Daher möchte ich heute gerne einen kleinen Einblick in die bunte Welt der Spiele geben, an denen auch ich Freude habe.

Mau-Mau

Nicht nur die Rolle als schmückendes Beiwerk, auch klassische Kartenspiele finde ich eher etwas mau. Dabei gibt es so einen Pack Karten in Großdruck oder eben auch mit taktiler Beschriftung schon für relativ kleines Geld und war lange Zeit mein einziges brauchbares, also barrierefreies Spiel … okay neben dem Würfelbecher mit den taktilen Würfeln.

Aber bleiben wir doch noch kurz bei den Kartenspielen. Sobald Bube, Dame, König, Ass durch Black Stories ersetzt werden, bin ich ganz bestimmt mit von der Partie.
Bewundernswert, wer diese rätselhaften Geschichten aus dem Gedächtnis zaubern kann. Ich brauche hierfür die Karten, die es aber auch längst in Brailleschrift gibt.
Meine größte Leidenschaft gehört jedoch dem Wissens-Quiz. Läuft eine Quiz-Sendung im Fernsehen, bin ich meist nicht weit; auch wenn ich hier darauf angewiesen bin, dass mir die Fragen und alle Antwortmöglichkeiten vorgelesen werden … da drück ich aber mal beide Augen zu.

Wer weiß denn so was?

So wie ich mich in der Regel darauf verlassen kann, dass der Quizmaster im Fernsehen alles vorliest, hatte ich es auch bei Quiz-Apps erwartet. Also, Fragen in Textform und Antwortalternativen, die die Sprachausgabe meines Smartphones vorlesen. Quiz-Apps scheinen aber meist grafisch so aufgemotzt zu sein, dass ich beziehungsweise meine Sprachausgabe auf dem Smartphone keine Chance hat. Aber wie heißt es in der Spielersprache so schön: Mensch ärgere dich nicht!
Inzwischen habe ich auch tatsächlich eine brauchbare Quiz-App und seither läuft der Akku meines Smartphones heiß.

Geld oder Liebe?

Um den Akku meines Smartphones aber nicht zu sehr zu strapazieren, muss in so manch langer Spielenacht mein Schatz herhalten. . Dann geht es um das ganz große Geld und starke Nerven.

Monopoly-Spielbrett mit Aktionskarten und Geldscheinen mit Schwarz- und Brailleschrift beschriftet sowie zwei taktilen Würfeln

Bei meinem Monopoly sind die Straßen fühlbar umrandet und zusätzlich mit Brailleschrift versehen, ebenso wie die Aktionskarten und das Geld. Also, alles prima, zumindest wenn man der englischen Sprache einigermaßen mächtig ist. Das taktile Monopoly-Spiel gibt es nämlich nur in der englischen Version.
Außerdem muss man für solche Brettspiele etwas tiefer in die Tasche greifen, weshalb ich dringend dazu rate, sich einen Mitspieler zu suchen, der gut verlieren kann.

In diesem Sinne wünsche ich spannende Abende und, dass der Wonnemonat Mai für uns alle ein voller Erfolg wird!

Der April, der April, der macht was er will … und 2021 auch der Februar. Es war in diesem Monat alles dabei: Schneeberge, Matsch und 20 Grad Sonnenschein … und Home-Office. Da gibt es in den eigenen vier Wänden ordentlich was zu schruppen. Viel lieber würde ich darüber schreiben, wie es mir und Lieschen meinem Blindenführhund gelingt, all den Dreck in die Wohnung zu schleppen, denn das ist der weitaus spaßigere Teil. Doch es nutzt nix, der Dreck muss weg.
Heute also mal ein paar Servicetipps von einem Dreckspatz für Dreckspatzen.

Dreck, welcher Dreck?

Klar, ich könnte es mir einfach machen; Augen zu und durch. Doch das geht nur bis zu einem bestimmten Grad der Verschmutzung und der ist mit Hund doch sehr schnell erreicht. Es dauert nicht lange bis die Krümel unter den Füßen knirschen und sich Hundehaare ansammeln. Aber auch ich hinterlasse im Laufe des Tages so meine Spuren; und ich merke es durchaus, wenn die Arbeitsfläche in der Küche und der Küchentisch frei von Krümeln sind oder sich unter den Fingern Flecken vom Kochen breit machen. Auch so ein frisch geputztes Waschbecken fühlt sich unter den Fingern deutlich strahlender an.
Die weit verbreitete Meinung, dass blinde Menschen den Dreck nicht mitbekommen, ist zwar sehr verlockend … mag bei einigen vielleicht auch hinhauen … ist grundsätzlich aber leider falsch; zumindest für den Dreck, den man ertasten kann.

Zugegeben, hat man außer sich selbst und dem geliebten Vierbeiner noch einen Schmutzfink oder gar eine ganze Vogelschar in der Wohnung, wird es schon etwas herausfordernder. Denn ich kenne meine Dreckecken, weiß wo ich etwas verschüttet oder eventuell mit Chips gekrümelt habe.
Häufig hilft tatsächlich auch nur eine gewisse Grundsauberkeit durch regelmäßiges Putzen und putzen auf Verdacht … aber wie?

Der Dreck muss weg!

Um dem Dreck nun zu Leibe zu rücken, benötige ich das ein oder andere Putzmittel. Da fängt es also schon an. Welche Flasche ist nun wofür?
Okay, alter Hut, hier kennst du meine Tricks ja schon. Entweder ich merke es mir anhand der Flaschenform; hat diese einen Sprühkopf oder nicht … und falls ich eine Flasche gar nicht zuordnen kann, habe ich da immer noch meine App auf dem Smartphone, die mir auch bei verpackten Lebensmitteln beispielsweise die Beschriftung der Verpackung vorliest oder den Barcode scannt und so das Geheimnis lüftet. Mist, wieder keine Ausrede. Eimer, Wasser, das entsprechende Putzmittel, Lappen und los geht's!

Auf die zuvor schon angesprochenen Flächen, die ich gut ertasten kann, möchte ich nun nicht weiter eingehen. Was mache ich aber mit größeren Flächen? Lange Zeit war mir beispielsweise das Bodenwischen so ein Dorn im Auge. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich hier zuverlässig alles erwische. Daher half immer nur das mehrmalige Wischen … wenn ich mich schon aufraffe, dann soll's ja auch sauber sein.
Seit wenigen Tagen habe ich nun eine neue Untermieterin. Ich habe sie auf den Namen Lady getauft und in unserem Mietvertrag steht, dass ich sie regelmäßig auflade, dafür tobt sie sich als Saugwischer aus. Super Sache! Ich gehe jetzt also mit der Lady Bahn für Bahn, zugegeben nach wie vor auch zwei Mal, durch die Wohnung oder mal fix durch die Küche und Lady macht den Rest. Sie erkennt automatisch an welchen Stellen es etwas schmutziger ist und passt den Reinigungsgrad an. Doch noch besser, sie redet auch mit mir. Per Sprachassistent teilt sie mir mit wenn der Schmutzwasserbehälter geleert, das Reinigungsmittel nachgefüllt werden muss oder der Selbstreinigungsmodus ausgeführt werden sollte. So bleibt mir das Rätseln erspart, warum sie gerade piept oder auch einfach gar nix mehr tut. Und das aus meiner Sicht Beste an meiner Lady ist, dass sie nicht extra für blinde Menschen entwickelt wurde. Es gibt immer mehr technische Geräte, die auch über Apps auf dem Smartphone bedienbar sind. Eine wirklich sinnvolle Entwicklung und eben keineswegs nur eine Spielerei für Technikbegeisterte. Mehr davon!
Du kannst es vielleicht herauslesen: Mit der Lady und ähnlichen Helferlein macht mir das Putzen sogar ein wenig Spaß. Aber pssst, das sollte noch ein wenig unter uns bleiben. Mein Freund soll zumindest die Chance erhalten, diese Leidenschaft auch noch für sich zu entdecken.

Apropos Freund, ich gebe zu, ich bin nicht nur ein Dreckspatz, obendrein habe ich es auch wirklich gerne sauber. Daher verzichte ich nicht vollkommen auf die Hilfe sehender Mitmenschen. Manchmal genügt ein Tipp an welcher Stelle sich gerne Spinnweben bilden. Die kann man dann ja auf Verdacht mit einem Staubwedel entfernen. Manchmal ist es aber auch schön, wenn eine Reinigungskraft noch einmal gründlich in alle Ecken und über die für mich unsichtbaren Stellen geht … in der Zeit können Lieschen und ich dann wieder raus und für Nachschub sorgen.

Einen schönen März und viel Spaß beim rumsauen!

Für den heutigen Beitrag habe ich mir Unterstützung geholt. Darf ich vorstellen: Stefan.
Stefan sieht was, was ich nicht sehe. Wie viel kann ich gar nicht genau sagen, denn so wirklich gut sieht er auch nicht. Aber er hat noch einen Sehrest und mir gegenüber damit einen klaren Vorteil. Wirklich?
Ich nehme die wenig überraschende Antwort mal wieder vorweg: Klar, ein Sehrest schadet nicht. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ein klarer Vorteil muss es aber nicht unbedingt immer sein … behaupte ich.

Es werde Licht, bitte!

Gerade erst haben wir die Uhren umgestellt -eine Stunde zurück. Für mich bedeutet das eine Stunde länger schlafen. Für Stefan heißt es aber auch, dass die Tage wieder kürzer werden und er den Arbeitsweg in der Dämmerung oder ganz im Dunkeln zurücklegen muss. Für ihn bedeutet dies "eine weitere Herausforderung in der Mobilität und Orientierung".

So beklagt Stefan beispielsweise die schlechte Beleuchtung der Fußgängerwege auf seinem Arbeitsweg. Wohingegen ich nicht sagen kann, ob es auf meinem Arbeitsweg überhaupt Straßenlaternen gibt… und wenn es welche gibt, dann finde ich sie eher hinderlich, denn wenn ich sie mitbekomme,  heißt dies,dass ich dagegengelaufen bin.
Aber im Ernst, dunkel kann ich mich auch noch an die Jahre erinnern, in denen mich meine Nachtblindheitin der Mobilität beeinträchtigt hat. Heute macht es für mich praktisch kaum einen Unterschied, ob ich am Tag oder in der Nacht unterwegs bin. Außer vielleicht, dass nachts alles etwas ruhiger ist -zumindest in Halle, einer Stadt, die auch mal schläft.
Stefan hingegen bewältigt seine alltäglichen Wege bisher meist ohne Hilfsmittel. Bei Dunkelheit oder in der Dämmerung ist es inzwischen aber alles andere als traumhaft. Dann geht es plötzlich ohne den weißen Langstock nicht mehr. Sich dies selbst einzugestehen ist aber nicht so einfach; und auch das Gehen mit dem Stock will geübt sein. Doch die Einsicht ist bei Stefan inzwischen da und er übt fleißig mit einem Orientierungs- und Mobilitätstrainer; zum einen zu seiner eigenen Sicherheit, aber auch in der Hoffnung mehr Rücksichtnahme bei anderen Verkehrsteilnehmern zu erreichen … und damit sind wir auch bei einem zweiten, aus unserer Sicht, großen Unterschied: die Kommunikation mit anderen Menschen über den zum Teil noch vorhandenen oder eben auch nicht vorhandenen Sehrest.

Eine blinde Frau ein Satz, ein sehbehinderter Mann …

Stefan erzählte mir, dass er nur noch Teile des unteren Gesichtsfeldes nutzen kann und man sagte ihm, dass auch dies nicht mehr deutlich wäre.
Auch daran kann ich mich noch gut erinnern. Als ich noch einen Sehrest hatte, spielte ich mit meiner Mutter im Auto häufig Straßenschilder erkennen. Sie sagte wann sie das Schild sah und ich kam dann irgendwann hinterher wie die alte Fastnacht … und trotzdem forderte ich sie immer wieder heraus … ich wollte gerne wissen was ich nicht sehe, denn für mich war das was ich sah ja normal. Wenn es aber für mich normal ist, wie erkläre ich einem anderen Menschen, was ich sehe und vor allem was nicht?

Angenommen Stefan kann nun aber gut erklären was er sieht und was nicht, dann gibt es immer noch einen Unterschied, ob er sich in bekannter Umgebung befindet, die Lichtverhältnisse gut sind und er einen guten Tag erwischt hat … oder eben auch nicht. Von all diesen Faktoren und von noch viel mehr hängt es also ab, in welches Fettnäpfchen er tritt oder über welches Hindernis er fällt, ob er den Kollegen grüßt oder eben auch mal nicht … und das lässt sich unmöglich eben mal so kurz und unmissverständlich erklären wie: Ich sehe nix, Null Komma Nüscht!

Auch der Mund-Nasen-Schutz, also die Alltagsmaske, erklärte mir Stefan, erschwert ihm das Sehen. Sie verdeckt zum Teil den Ausschnitt des unteren Gesichtsfeldes, also genau des Fensters, durch das er noch gucken kann.
Als er mir dies so erklärte, leuchtete es mir sofort ein. Doch davon hatte ich auch zum ersten Mal gehört … und so wird einem jeder Sehbeeinträchtigte von anderen Schwierigkeiten berichten können. Kennste also Einen, kennste noch lange nicht alle!

Bist du neugierig geworden? Beim Online-Spiel "Zug in Sicht" kannst du erleben, wie sich unterschiedliche Seheinschränkungen auswirken:
https://www.woche-des-sehens.de/spiel

Mit "neue Wirklichkeit" wird das Leben im Shutdown angesichts der Corona-Pandemie häufig umschrieben und ich frage mich immer wieder, was daran neu ist. Klar, auch mir ist nicht entgangen, dass Restaurants, Kneipen, Geschäfte, Fitnessstudios, Schulen, Kindergärten und vieles mehr schließen mussten und noch immer ihren Betrieb nicht wieder vollständig aufnehmen konnten; Mund-Nasen-Schutz, Abstand und keine großen Feiern oder Veranstaltungen. Ja, all dies ist mir bekannt und halte ich ein, dennoch bleibt für mich die Frage was daran so wirklich neu ist. Ich glaube für viele Menschen mit Beeinträchtigungen ist dies so neu nicht wirklich. Ich behaupte, dass dies für viele Menschen unter uns schon lange Lebenswirklichkeit ist und hoffe, dass diese Pandemie vielleicht auch eine Chance sein könnte, das Thema Inklusion neu zu kommunizieren.
Ups, Pandemie, Inklusion … vermutlich haben einige den Beitrag jetzt schon weggeklickt. Weder ein Virus noch Inklusion sind für viele Menschen sexy Themen oder versprechen einen locker flockigen Beitrag. Dennoch hoffe ich, dass du neugierig genug bist um weiter zu lesen.

Wie in all meinen anderen Beiträgen geht es mir nicht um einen Fingerzeig auf andere. Ich berichte aus meinem Leben, über meine Gedanken. Mir ist durchaus bewusst, dass es auch viele Menschen gibt, die die Wochen des Shutdowns ganz anders erleben und damit weniger gut zurechtkommen. Psychische Beeinträchtigungen, familiäre Probleme oder existenzielle Sorgen … Gründe gibt es genug.
Kommen wir nun aber zu meiner Wirklichkeit und dazu, was es aus meiner Sicht mit Inklusion zu tun hat beziehungsweise haben könnte.

Meine alte neue Wirklichkeit

Die Wirklichkeit ändert sich derzeit wöchentlich. Inzwischen erfahren wir nach und nach Lockerungen und ich höre das befreite Aufatmen vieler Mitmenschen. Ich empfinde es hingegen nicht als befreiend. Noch immer ist der Virus auf seiner Durchreise und noch immer gibt es keinen Impfstoff. Die Bilder aus unseren Nachbarländern Italien und Frankreich sind in meinem Kopf noch immer so präsent, dass jeglicher Wunsch nach Kino- oder Kneipenbesuchen im Keim erstickt.
Woher kommt also dieses befreite Aufatmen vieler Mitmenschen? Auch sie haben die Bilder gesehen, auch sie haben Familie und Freunde, denen sie sicher nichts Böses wünschen. Vielleicht steckt ein Teil der Antwort in dieser Aussage: Weil sie es können!

Vieles kann ich einfach nicht oder nicht so unkompliziert wie meine sehenden Mitmenschen. Wenn ich beispielsweise in die Sauna möchte, fällt mir da zunächst der heiße Ofen ein und ich überlege mir daher wen ich als sehende Begleitung anheuere. Also, Sonntag und Schmuddelwetter, Tasche packen und los … vergiss es. So eine Sache muss schon mit ein wenig Vorlauf geplant sein. Selbst wenn ich meinen ganzen Mut zusammen nehme und doch alleine losziehe, wird es nicht einfacher. Das erfordert dann nämlich volle Konzentration auf die mir noch verbleibenden Sinne. Sieht so ein entspannter Saunanachmittag aus?
Mit einer Freundin, die im Rollstuhl sitzt, ins neue Szene-Café oder ins Kino? Gerne, aber erst mal nachfragen, wie es dort mit der Barrierefreiheit so aussieht.
Das was also derzeit für viele Menschen der Shutdown bedeutet, sind für mich die Barrieren und du glaubst ja nicht, wo die alle lauern … ach doch, als aufmerksamer Leser dieses Blogs kennst du bestimmt auch schon den Beitrag Sommerzeit ist Reisezeit 2.

Ich habe also vor gut zwanzig Jahren schon meinen ganz persönlichen Shutdown erlebt. Inzwischen habe ich mein Leben so eingerichtet, dass ich dennoch aus voller Überzeugung behaupte, dass ich ein weitestgehend selbstbestimmtes und erfülltes Leben führe. Wie du in anderen Beiträgen lesen kannst gehe ich gerne in die Arena um die Atmosphäre bei Handballspielen zu genießen, ich gehe in Restaurants und Kneipen, ins Kino und ich Reise sehr gerne. Weder die Blindheit noch die Barrieren können mich daran hindern. Ich habe inzwischen Wege gefunden und mich zum Organisationstalent gemausert und vor allem habe ich gelernt, dass nicht immer alles so geht wie ich es gerade gerne möchte.

Was ist nun die Moral aus all dem?

Der Shutdown hat uns in den vergangenen Wochen alle behindert. Unser Leben stand still und jetzt mit den Lockerungen kommt nachvollziehbarer Weise das große Aufatmen. Für mich bleiben allerdings die Barrieren. Klar, auch ich kann wieder in die Sauna oder mit einer Freundin im Rollstuhl in die Kneipe. Das heißt, das muss ich ja erst noch mal klären. Du weißt schon, die Stufen, der heiße Ofen …

Ich behaupte also, dass was ein Impfstoff gegen den Virus für uns derzeit bedeutet, bedeutet Inklusion für Menschen mit Beeinträchtigungen, ältere Menschen, Familien mit Kinderwagen, Reisende mit schwerem Gepäck … letztlich für uns alle.
Während nun also viele wieder langsam aufatmen, warte ich noch immer auf die neue Wirklichkeit und ich würde mich freuen, wenn dieser Beitrag und die Erfahrungen der letzten Wochen vielleicht den ein oder anderen zum Nachdenken anregen. Inklusion ist nämlich viel mehr als eine schöne oder phantastische Vision. Inklusion verspricht ein buntes Leben mit Restaurant- und Kinobesuchen, Sauna- und Freizeitspass für alle!

Nicht nur für die Katholiken ist seit Aschermittwoch alles vorbei. Egal ob gläubiger Christ oder nicht, viele nutzen die Zeit bis Ostern um zu fasten. Traditionell bedeutet dies der Verzicht auf Nahrung. Gibt es also eine bessere Zeit, um über den Lebensmitteleinkauf zu schreiben?
Nicht wirklich, gerade eine bewusste Ernährung will sorgsam durchdacht sein.

Vorbereitung ist alles!

Ich zähle mich zwar nicht zu den Kleidung-am-Vortag-Herauslegern, schreibe aber mit Vorliebe Listen: To-do-Listen für jeden Wochentag, Packlisten für den Urlaub und Einkaufslisten. Insbesondere bei der Einkaufsliste mag dies sicher auch damit zusammenhängen, dass ich mich durch die Warenpräsentation im Supermarkt nicht inspirieren lasse. Da hab ich einfach keinen Blick für. Ich brauche also bereits im Vorfeld einen Plan, was im Einkaufswagen landen soll.

Woher bekomme ich nun aber meine Inspiration?
Na klar, da ist zum einen die Werbung in Radio, TV und Internet. Hin und wieder google ich nach Rezepten bzw. den entsprechenden Zutaten für Gerichte, auf die ich Appetit habe; und vor dem Wocheneinkauf rufe ich die Website meines Supermarktes auf und informiere mich über die Wochen-Angebote - das nenne ich dann meinen virtuellen Gang durch die Regale.

Den Einkaufszettel schreibe ich mir dann in Brailleschrift auf eine handliche Karteikarte. Mehr zu dieser von Louis Braille entwickelten Schrift und welche Vorteile so ein Einkaufszettel aus Pünktchen hat, kannst Du in meinem Beitrag Gefühlvoll in die graue Jahreszeit - Oder: Fühlen, hören, eintauchen lesen.
Von so einem Einkaufszettel werde ich ja aber nicht satt. Also, ab in den Supermarkt, zum Bäcker oder in den Bioladen meines Vertrauens.

Ran an den Speck!

Die Wege, um an die begehrten Produkte zu kommen, sind vielfältig - online wie offline.
Ich bin ein Freund davon, selbst in den Laden zu stiefeln. Dort sind dann aber, nicht nur im Hinblick auf die Umwelt, die vielen verpackten Produkte ein echtes Problem. Unabhängig vom Inhalt fühlen sich viele Verpackungen gleich an. Doch zugegeben, selbst die Produkte, die man durch ihre Form gut ertasten kann, machen den Einkauf nicht unbedingt leichter - wenn es dumm kommt, muss ich unzählige Tafeln Schokolade in die Hand nehmen, bis ich die gewünschte Marke erwische. Ganz ehrlich, auch blinde Menschen haben pro Tag nur 24 Stunden zur Verfügung, und da ist die Nacht bereits mit inbegriffen.

Ich mag gerne kleinere Läden, in denen man bedient wird, und im Supermarkt greife ich auf die Hilfe der Verkäuferinnen und Verkäufer zurück. Sie gehen gemeinsam mit mir durch den Laden und sorgen dafür, dass die von mir gewünschten Produkte im Einkaufswagen landen. Bei Bedarf kann ich sie aber auch mal nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum fragen - für mich ein echter Vorteil gegenüber Bestellungen im Internet.

Nachdem die Einkäufe in meinen Besitz übergegangen sind, kann ich sie gemeinsam mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer so auf Rucksack und Beutel aufteilen, dass ich bereits ein wenig vorsortiert habe - das Problem der Verpackung und damit schwierigen Unterscheidbarkeit bleibt ja nach wie vor bestehen.
Zuhause mache ich mir dann verschiedene Hilfsmittel, vorzugsweise Apps auf meinem Smartphone, zu Nutze, um beispielsweise den Barcode zu scannen und mir per Sprachausgabe den Inhalt der Verpackung ansagen zu lassen.

Ich bekomme jetzt langsam Hunger, vor allem wenn ich daran denke, welche Leckereien ich erst heute wieder nach Hause getragen habe. Fastenzeit hin oder her … anstatt auf Nahrung zu verzichten versuche ich lieber noch sorgsamer darauf zu achten, meinen Hausmüll zu reduzieren.

Bei Fragen, Ergänzungen oder Themenwünschen schreib mir einfach in den Kommentaren. Ich freue mich!





Bilder sprechen lassen!

Bilder sagen mehr als tausend Worte, und das ist ja auch der Grund, weshalb wir sie beispielsweise in sozialen Netzwerken und über Messenger-Dienste so gerne teilen. Das süße Hunde-Foto, die spektakuläre Aussicht oder das Silvestermenü - das muss man einfach gesehen haben!
Nein, nicht unbedingt. Bilder muss man nicht zwingend sehen, man kann sie auch hören. Hören? Pssst, wenn Du mal gaaanz leise bist ...
Okay, ganz so einfach funktioniert es natürlich nicht. Sie sprechen nicht von selbst. Wir müssen sie sprechen lassen.

Trauriges nachdenkliches Gesicht

Die meisten Fotos, die in den sozialen Netzwerken, also beispielsweise bei Facebook geteilt werden, sprechen leider nicht mit mir. Egal, ob süßes Hunde-Foto, spektakuläre Aussicht oder Silvestermenü, meine Sprachausgabe sagt meist nur: "Keine Fotobeschreibung verfügbar“.
Dies liegt daran, dass der Screenreader, also die Software, die den Bildschirm ausliest und mir in Sprache oder Brailleschrift wiedergibt, nur Text erkennt.
Doch Vorsicht, wenn ein Text abfotografiert wurde, so ist dies letztendlich auch nur ein Bild. Die schön gestaltete Menükarte, die Dir das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt, hinterlässt bei mir auch nur Fragezeichen. In diesem Fall verrät mir meine Sprachausgabe nämlich auch nur: "Bild könnte enthalten Text" … genau hierin liegt aber auch die Lösung.

Grinsendes Gesicht mit zusammengekniffenen Augen

Emojis, wie das traurige, nachdenkliche Gesicht oder das grinsende Gesicht mit zusammengekniffenen Augen, werden mir von der Sprachausgabe vorgelesen … sie sprechen mit mir. Auch deine Fotos können das, und zwar mit Hilfe des so genannten Alternativtextes.

Wenn Du also beispielsweise bei Facebook ein Foto teilst, klicke einfach auf Foto bearbeiten und dann auf Alternativtext. Hier gibst Du eine kurze Bildbeschreibung ein und fertig. Ein grinsendes, zumindest aber ein lächelndes Gesicht meinerseits ist Dir sicher, denn ab sofort heißt es nicht mehr "Keine Fotobeschreibung verfügbar".
Hin und wieder kommt es auch vor, dass bereits automatisch ein Alternativtext erstellt wurde. Wenn also ein Programm im Hintergrund dein Silvestermenü als Essen erkennt, steht im Eingabefeld für den Alternativtext bereits "Essen", und meine Sprachausgabe verrät mir: "Foto enthält Essen". Wenn Dir diese Beschreibung nicht genügt, kannst Du den Alternativtext auch jederzeit ändern oder ergänzen. Doch mach es nicht zu kompliziert … und keine Scheu, eine kurze Beschreibung ist besser als keine!

Nun also ran an den Speck, fotografieren, hochladen, Alternativtext einfügen … Happy New Year!

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Wir stecken wieder einmal mitten drin, im November-Grau. Nebel vermindert die Sicht und das nass-kalte Wetter schlägt aufs Gemüt. Stopp! Kein Grund zu verzweifeln, ich weiß da was … und in Sachen schlechter Sicht kenne ich mich ja schließlich aus. Also pass auf: wir holen uns jetzt beide eine Tasse mit einem duftenden Heißgetränk und wahlweise auch ein oder zwei Kekse. Damit ab auf die Couch, unter eine kuschelige Decke und gaaanz tief eintauchen in eine berührende Geschichte.

Schon als Kind liebte ich Geschichten. Von Astrid Lindgrens "Kinder von Bullerbü" und "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler konnte ich nicht genug bekommen; na klar, und "Die kleine Raupe Nimmersatt". Diese Bücher stehen noch heute in meinem Regal. Schöne Kindheitserinnerungen, die mich sehr berührt haben.

Einfühlsam dank Louis!

Die Begeisterung, sich in fantastische Geschichten einzufühlen, in historische Romane oder in Krimis einzutauchen, ist mir geblieben. Nur heute fühle ich noch einmal auf eine ganz andere Art: ich ertaste sie Punkt für Punkt. Daher nennen wir diese Schrift auch Punktschrift, Blindenschrift oder nach ihrem Entwickler Louis Braille: Brailleschrift.

Sicher hast Du solch eine Ansammlung von Punkten schon einmal gesehen und dich vermutlich gefragt, wie man daraus eine Geschichte oder sonst einen sinnvollen Text ertasten kann. Geht, dank Louis Braille. Aus nur sechs Punkten entwickelte er ein System, mit dem sich jeder Buchstabe des Alphabets und noch viele weitere Zeichen darstellen lassen. Stell dir einfach einen Eierkarton für sechs Eier vor. Du hast jetzt also jeweils zwei Eier nebeneinander und drei Eier untereinander. Je nachdem welche Eier du nun entnimmst, erzeugst du einen Buchstaben, ein Satzzeichen oder auch eine Kombination mehrerer Buchstaben. Es gibt nämlich nicht die eine Blindenschrift. Wir unterscheiden eine Basisschrift, eine Vollschrift, eine Kurzschrift, Computerbraille oder beispielsweise auch eine Schrift für Mathe, eine Notenschrift für Musiknoten ... nur Sesambrötchen folgen keiner Systematik und liefern daher auch leider keine Kurzgeschichten.

Ich will es nicht zu kompliziert machen. Daher nur so viel: In der Basisschrift bildet jede Kombination aus den zuvor genannten sechs Eiern, also Punkten, einen Buchstaben ab. Die meisten Bücher in Brailleschrift sind jedoch in Kurzschrift gedruckt. Hier werden Lautgruppen, Silben oder auch ganze Worte durch nur ein oder zwei Zeichen dargestellt. Das Wort Blindenschrift beispielsweise besteht aus nur fünf Zeichen. Damit erhöht sich dann auch, jedenfalls nach intensivem Üben, die Lesegeschwindigkeit. Klar, fünf Zeichen sind mit dem Finger schneller erfasst als 14 Zeichen - so viele Buchstaben hat das Wort Blindenschrift nämlich.

Wenn Du einmal sehen möchtest, wie dein Name in Brailleschrift aussieht, dann schau mal hier: https://www.woche-des-sehens.de/infothek/zum-selbsterleben/braille-simulator

Einfühlsam geht auch anders!

Einen Nachteil haben Bücher in Brailleschrift allerdings. Sie sind, auch in Kurzschrift, sehr unhandlich. Ein Taschenbuch füllt schnell mal zwei Ordner. Das liegt unter anderem an der Größe eines Zeichens und an dem dickeren Papier. Das ist auch der Grund, weshalb ich jetzt gestehen muss, dass ich zu Beginn etwas geflunkert habe. Ich lese keine Bücher in Brailleschrift. Mit so einem Ordner lässt es sich einfach nicht so bequem auf der Couch herumlümmeln.
Meinen Einkaufszettel mit den Keksen und dem Tee, den schreibe ich aber tatsächlich immer in Brailleschrift. In diesem Fall haben die Pünktchen nämlich einen echten Vorteil: sie lassen sich wegkratzen. Also sind die Kekse im Einkaufswagen, kratze ich sie von der Einkaufsliste. So behalte ich immer den Überblick und vergesse nichts.

Wenn ich in Geschichten eintauche, dann greife ich auf Hörbücher zurück. Nur was hätte ich über Hörbücher schon spannendes schreiben können. Die sind inzwischen ja absolut kein Nischenprodukt mehr. Aber einen kleinen Tipp habe ich in Sachen Hörbücher zum Abschluss vielleicht noch. Du siehst selbst nicht gut, oder Du kennst jemanden: Blinde und sehbehinderte Menschen können bei Blindenhörbüchereien kostenlos Hörbücher ausleihen. Aber auch Zeitschriften und Wochenzeitungen bekommt man dort.

So, nun bleibt mir nur noch, dir eine gute Zeit mit vielen tollen Büchern zu wünschen; und wenn Du noch Fragen hast - zur Brailleschrift oder den Blindenhörbüchereien, dann schreib mir einfach in den Kommentaren. Gerne darfst Du mir dort auch Lesetipps hinterlassen!

"Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm!" Genau das ist auch der Grund, weshalb ich immer artig antworte, wenn mich wieder einmal jemand an der Straßenbahnhaltestelle, beim Gassi gehen oder sonst irgendwo anspricht und mich über mein Leben ausfragt. Nun möchte ich mir nicht anmaßen, all diejenigen als dumm zu bezeichnen, die das Leben mit Blindheit nicht kennen. Eine gewisse Unwissenheit ist ja aber nicht von der Hand zu weisen.

Woher soll man als Otto oder Ottilie Normalverbraucher aber auch wissen, wie das Leben ohne Augenlicht so ist. Als ich mit 13 Jahren sehbehindert wurde, hatte ich auch keine Vorstellung davon. Ich kannte außer meiner Uroma und meinem Opa keine blinden oder sehbehinderten Menschen. Sie wachsen ja nicht auf den Bäumen, und auch im Kindergarten oder in der Schule bin ich keinem blinden Kind begegnet. Das mag sich inzwischen ein wenig, ein ganz kleinwenig gewandelt haben, und doch gibt es täglich die Situation, dass ich Blicke auf mich ziehe, Kinder fragen, was denn mit der Frau sei oder ich eben auch direkt angesprochen werde.

Wieso, weshalb, warum?

Keine Frage, ich bin anders … und doch wieder nicht; und an manchen Tagen würde ich mir wünschen, auch einfach nur mal ganz normal zu sein. Aber was ist schon normal? Ich habe zwei Arme, zwei Beine und die Nase mitten im Gesicht. Im Gegensatz zu Frühaufstehern breche ich nicht jeden Morgen in Jubel aus, wenn mich der Wecker aus meinen Träumen reißt; und ich mag Schokolade … und doch steht häufig eben dieses kleine Detail zwischen mir und all den Langschläfern und Schoko-Junkies. Damit entstehen dann auch immer wieder diese Fragen: woher weißt Du wie spät es ist, welche Schokolade Du gerade aus dem Monatsvorrat erwischt hast …?

Vieles in meinem Leben ist gar nicht so spektakulär anders. Manches mache ich eben nur etwas anders und für vieles gibt es Hilfsmittel oder ich habe so meine Tricks. Hin und wieder muss ich auch um Hilfe bitten. Während du also auf deine Uhr schaust, habe ich eine taktile Armbanduhr oder einen sprechenden Wecker. Meist greife ich aber auf meinen ständigen Begleiter zurück, das iPhone. Dank der Sprachausgabe VoiceOver kann ich mir die Uhrzeit ansagen lassen oder die Wecker-App bedienen; und über verschiedene Apps kann ich den Barcode der Schokolade einscannen, um mir dann die entsprechenden Informationen ansagen zu lassen. Wenn allerdings ein neuer Monatsvorrat fällig wird, bitte ich im Supermarkt eine freundliche Verkäuferin um Hilfe. Bis ich nämlich alle Regale durch bin und jedes Produkt einmal in der Hand hatte, ist vermutlich der Monat auch schon wieder um.

Foto: Taktile Armbanduhr mit geöffnetem Deckel. Mein rechter Zeigefinger ertastet die Uhrzeit.

Wer nicht fragt, bleibt dumm!?

Ich glaube es ist wichtig, auf all diese Fragen einzugehen; und meine Erfahrung zeigt: je mehr Unwissenheiten abgebaut werden, desto mehr kann ich als Person in den Vordergrund rücken. Daher gehe ich beispielsweise auch als Vorlesepatin in Kindergärten und Grundschulen. Neben einer Geschichte habe ich dann auch immer Zeit für Fragen im Gepäck; und wenn ein kleines Mädchen fragt, wie ich das auf dem Klo mache, beantworte ich auch das.

Leider stoße ich hin und wieder auch an Grenzen. Erst vor wenigen Tagen wurde ich mal wieder auf der Straße gefragt, wie ich mit der Blindheit zurechtkomme. Harter Einstieg in ein Gespräch, wenn man jemanden überhaupt nicht kennt. Schwamm drüber. Wir unterhielten uns einige Minuten und ich versicherte, dass ich ganz gut zurechtkomme. Lieschen, mein Blindenführhund, wedelte auch begeistert mit dem Schwanz. Das Gespräch endete dennoch damit, dass man ein Gebet für mich sprach und darum bat, dass ich wieder sehen kann. Ich bete eigentlich nicht. An diesem Abend habe ich jedoch ebenfalls ein Gebet gesprochen und zwar für weniger Engstirnigkeit, mehr Vielfalt und Toleranz.

Also, bleib neugierig und wenn Du Fragen an mich hast, kannst Du mir diese gerne in den Kommentaren hinterlassen. Denn wir wissen ja alle noch aus der Sesamstraße: "1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen. Manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen."

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Kaum sind wir aus den Sommerferien zurück, stehen die Herbstferien vor der Tür. Ja, hört das denn nie auf? Nein!

Natürlich besteht nicht das gesamte Leben aus Ferien, und auch wenn die Koffer mal für ein paar Wochen in die Ecke wandern, so dreht sich das Leben fröhlich weiter. Auch im Alltag gibt es genügend Wege zu bereisen und Grenzen zu überwinden.

Bereits in meinem letzten Beitrag, Sommerzeit ist Reisezeit, habe ich Dich dazu eingeladen, gedanklich mit mir durch den Alltag zu reisen, verschiedene Barrieren kennen zu lernen und bestenfalls zu überwinden. Ich hoffe Du hast die Stiefel geschnürt, denn es gibt noch jede Menge zu entdecken.

Der Weg ist das Ziel!

Los, tauchen wir ein, in das Getümmel dieser Straße.

Beginnen wir mit einer Situation, die Dir inzwischen nicht mehr so fremd sein dürfte: das Überqueren einer Straße.
Hier gibt es sogar Ampeln, nur leider ohne akustische oder tastbare Signalgeber für blinde und sehbehinderte Menschen. Schade, es hätte so einfach sein können!

Die Farben rot und grün spielen nicht nur bei der Ampel eine wichtige Rolle. Menschen mit einer Rot-Grün-Sehschwäche - übrigens die häufigste Farbfehlsichtigkeit - können hiervon ein Liedchen singen. Da sie die Farben rot und grün nicht auseinanderhalten können, ist es ihnen nicht möglich, beispielsweise Schilder, wie das Supermarktschild im Suchbild zu erkennen.

Da, noch ein Schild. Dieses Mal nicht in rot und grün gehalten, aber verstehst Du, worauf es hinweist?
Für Menschen mit Sprach- und Lernschwierigkeiten ist "Grundstücksverkehrsgenehmigungsbehörde" wirklich nicht verständlich. Das geht auch kürzer und einfacher!

Um keine Genickstarre zu bekommen, wenden wir unseren Blick nun mal in Richtung Boden. Eine solch geriffelte Linie entlang des Fußwegs hast Du sicher schon mal gesehen … vielleicht hast Du auch schon mal darauf gestanden. Das sind so genannte Bodenleitplatten. Sie helfen blinden und sehbeeinträchtigten Menschen bei der Orientierung im Straßenverkehr, indem sie auf Richtungswechsel, Verzweigungen oder auch auf Haltestellen hinweisen. Leider finden wir hier nur auf einer Straßenseite ein solches Leitsystem. Dieses wird nun auch noch von einem Haltestellenschild und einem Mülleimer verstellt. Nicht schön … gar nicht schön.
Stell Dir vor Du machst die Augen zu und orientierst Dich an den Bodenleitplatten. Auuuuaaa! Klar, wenn Dir der Mülleimer gegen das Schienbein oder das Schild gegen die Nase knallt - und das wird es - dann tut das wirklich weh!

Bleiben wir noch kurz stehen. Stopp! Natürlich neben den Bodenleitplatten!
So kann ich noch auf einen weiteren Punkt an der Haltestelle hinweisen. Es gibt sie noch immer: Haltestellen ohne dynamische Anzeigen oder Lautsprecher, die über den Linienplan und aktuelle Änderungen informieren ... bestenfalls in leichter und verständlicher Sprache!

Puh, ganz schön viele Barrieren hier. Ich glaube, wir suchen uns langsam mal ein schönes Café, um uns etwas auszuruhen. Dafür müssen wir jedoch über die Straße, und auch ohne Ampel wird es nicht gerade einfacher … siehst Du das dunkelrote Auto? Es hat genau am abgeflachten Bordstein geparkt. Damit versperrt es uns mit Rollstuhl und Rollator den Weg. Wir müssen also wieder ein ganzes Stück zurück.

Auf dem Weg zurück, kommen wir noch einmal an der Behörde, dem grauen Gebäude vorbei. Hier kann ich noch auf eine weitere Barriere hinweisen: die Treppe.
Inwiefern die Treppe für Rollstuhlfahrer, aber auch für Familien mit Kinderwagen eine Barriere darstellt, ist womöglich allen klar. Hier haben wir aber noch ein weiteres Problem: Menschen mit vermindertem Kontrastsehen erkennen die Stufen nicht. Daher sollten sich Stufen durch eine auffällige Markierung vom Boden abheben. Ein bisschen Farbe, das heißt ein gelber Randstreifen, wäre hier nicht nur ein schöner Farbtupfer, sondern sehr hilfreich!

So, jetzt aber wirklich genug. Ich kann keine Barrieren mehr sehen. Hahaha.
Zu früh gefreut … möglicherweise ist da doch noch eine … nein, keine Stufen ins Café, keine zu schmale Tür, durch die der Rollstuhl nicht passt. Nein, wir werden auch hier, wie beim Supermarkt, darauf hingewiesen, dass Hunden der Zutritt verboten ist. Mein Lieschen ist ja aber nicht irgendein Hund. Lieschen ist ein ganz besonderer Hund, ein Ausnahmehund. So wie mein Lieschen frisst … Quatsch, ich meine Lieschen ist ein Blindenführhund! Ja und, Hund ist Hund. Nicht ganz: Auch wenn es einigen Inhabern von Supermärkten, Lebensmittelgeschäften oder Restaurants nicht bekannt ist, laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist Blinden- und Assistenzhunden entsprechend des Diskriminierungsverbotes der Zutritt zu Verkaufsräumen gestattet.
Nach etwas Aufklärung ist nun also auch uns, samt Lieschen, der Zutritt ins Café möglich. Keine Stufen halten uns auf. Geschafft!

Ankommen ist auch ganz schön!

Das Thema Barrierefreiheit ist viel zu umfangreich, um es auf unserer kleinen Reise umfassend zu erkunden. Ich hoffe jedoch, Du kannst einige neue Eindrücke für dich mitnehmen. So beispielsweise, dass das sperrige Thema Barrierefreiheit im Alltag auch manchmal durch Kleinigkeiten und ein wenig Aufmerksamkeit erreicht werden kann … und zwar für vielmehr Menschen, als man zunächst glauben mag. Es braucht keine Behinderung, um von Barrieren behindert zu werden. Treppen beispielsweise erschweren Familien mit Kinderwagen den Alltag erheblich; und schwere Sprache macht ihn auch nicht leichter. Denken wir an Bürokratendeutsch - da hilft es auch nicht unbedingt Muttersprachler zu sein.

Der Weg ist das Ziel, aber ankommen ist auch ganz schön!
Komm gut in und durch den Oktober. Ende des Monats liest Du wieder von mir. Natürlich freue ich mich aber auch in der Zwischenzeit über deine Erfahrungen, Fragen und Wünsche für weitere Beiträge in den Kommentaren!