Für den heutigen Beitrag habe ich mir Unterstützung geholt. Darf ich vorstellen: Stefan.
Stefan sieht was, was ich nicht sehe. Wie viel kann ich gar nicht genau sagen, denn so wirklich gut sieht er auch nicht. Aber er hat noch einen Sehrest und mir gegenüber damit einen klaren Vorteil. Wirklich?
Ich nehme die wenig überraschende Antwort mal wieder vorweg: Klar, ein Sehrest schadet nicht. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ein klarer Vorteil muss es aber nicht unbedingt immer sein … behaupte ich.
Es werde Licht, bitte!
Gerade erst haben wir die Uhren umgestellt -eine Stunde zurück. Für mich bedeutet das eine Stunde länger schlafen. Für Stefan heißt es aber auch, dass die Tage wieder kürzer werden und er den Arbeitsweg in der Dämmerung oder ganz im Dunkeln zurücklegen muss. Für ihn bedeutet dies "eine weitere Herausforderung in der Mobilität und Orientierung".
So beklagt Stefan beispielsweise die schlechte Beleuchtung der Fußgängerwege auf seinem Arbeitsweg. Wohingegen ich nicht sagen kann, ob es auf meinem Arbeitsweg überhaupt Straßenlaternen gibt… und wenn es welche gibt, dann finde ich sie eher hinderlich, denn wenn ich sie mitbekomme, heißt dies,dass ich dagegengelaufen bin.
Aber im Ernst, dunkel kann ich mich auch noch an die Jahre erinnern, in denen mich meine Nachtblindheitin der Mobilität beeinträchtigt hat. Heute macht es für mich praktisch kaum einen Unterschied, ob ich am Tag oder in der Nacht unterwegs bin. Außer vielleicht, dass nachts alles etwas ruhiger ist -zumindest in Halle, einer Stadt, die auch mal schläft.
Stefan hingegen bewältigt seine alltäglichen Wege bisher meist ohne Hilfsmittel. Bei Dunkelheit oder in der Dämmerung ist es inzwischen aber alles andere als traumhaft. Dann geht es plötzlich ohne den weißen Langstock nicht mehr. Sich dies selbst einzugestehen ist aber nicht so einfach; und auch das Gehen mit dem Stock will geübt sein. Doch die Einsicht ist bei Stefan inzwischen da und er übt fleißig mit einem Orientierungs- und Mobilitätstrainer; zum einen zu seiner eigenen Sicherheit, aber auch in der Hoffnung mehr Rücksichtnahme bei anderen Verkehrsteilnehmern zu erreichen … und damit sind wir auch bei einem zweiten, aus unserer Sicht, großen Unterschied: die Kommunikation mit anderen Menschen über den zum Teil noch vorhandenen oder eben auch nicht vorhandenen Sehrest.
Eine blinde Frau ein Satz, ein sehbehinderter Mann …
Stefan erzählte mir, dass er nur noch Teile des unteren Gesichtsfeldes nutzen kann und man sagte ihm, dass auch dies nicht mehr deutlich wäre.
Auch daran kann ich mich noch gut erinnern. Als ich noch einen Sehrest hatte, spielte ich mit meiner Mutter im Auto häufig Straßenschilder erkennen. Sie sagte wann sie das Schild sah und ich kam dann irgendwann hinterher wie die alte Fastnacht … und trotzdem forderte ich sie immer wieder heraus … ich wollte gerne wissen was ich nicht sehe, denn für mich war das was ich sah ja normal. Wenn es aber für mich normal ist, wie erkläre ich einem anderen Menschen, was ich sehe und vor allem was nicht?
Angenommen Stefan kann nun aber gut erklären was er sieht und was nicht, dann gibt es immer noch einen Unterschied, ob er sich in bekannter Umgebung befindet, die Lichtverhältnisse gut sind und er einen guten Tag erwischt hat … oder eben auch nicht. Von all diesen Faktoren und von noch viel mehr hängt es also ab, in welches Fettnäpfchen er tritt oder über welches Hindernis er fällt, ob er den Kollegen grüßt oder eben auch mal nicht … und das lässt sich unmöglich eben mal so kurz und unmissverständlich erklären wie: Ich sehe nix, Null Komma Nüscht!
Auch der Mund-Nasen-Schutz, also die Alltagsmaske, erklärte mir Stefan, erschwert ihm das Sehen. Sie verdeckt zum Teil den Ausschnitt des unteren Gesichtsfeldes, also genau des Fensters, durch das er noch gucken kann.
Als er mir dies so erklärte, leuchtete es mir sofort ein. Doch davon hatte ich auch zum ersten Mal gehört … und so wird einem jeder Sehbeeinträchtigte von anderen Schwierigkeiten berichten können. Kennste also Einen, kennste noch lange nicht alle!
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